Wie fanden Sie heraus, dass Musik auch eine heilende Wirkung hat?
Mein Vater war Arzt und seine Praxis in Wien war Teil unserer Wohnung. Ich bin also mit sehr vielen kranken Menschen aufgewachsen und davor in die Musik geflüchtet. Bei jedem Mittagessen ging es nur um Krankheiten und akute Fälle. Meine beiden Brüder studierten ebenfalls Medizin. Ich war das schwarze Schaf. Durch verschiedene Fügungen habe ich aber über die Musik wieder zur Medizin zurückgefunden. Mein Vater hat immer gesagt: „Kunst ist eine Medizin.“ Ziemlich alle Menschen greifen unbewusst zur Musik und behandeln sich dadurch selbst.
Sie haben eine Music Library in Los Angeles aufgebaut und an den Bertelsmann-Musikkonzern BMG verkauft.
Das ermöglicht mir, jetzt in der zweiten Hälfte meines Lebens der Welt etwas zurückzugeben. Ich begann, Psychologie zu studieren und mich als Abschlussarbeit der Wirkung von Musik in der Medizin zu widmen. Ich habe auch viele Freunde in Wien, die Ärzte sind und Musik machen. Univ.-Prof. Dr. Klaus Laczika beispielsweise ist ein genialer Musiker und forscht im Bereich Musiktherapie. Da ist so viel Energie zusammengekommen und ich habe gesehen, dass Musik als Heilmittel noch niemand vom Wissenschaftlichen so aufbereiten konnte, dass jeder weltweit diese Erkenntnisse nutzen kann.
Musik kann bei Alzheimer, Schmerzen, Depressionen, Abhängigkeit, sogar bei Schlaganfällen helfen. Ich würde aber niemandem anraten, bei einer akuten Infektion als Gegenmittel Musik zu hören.
Auch in den USA hat sich keiner der Musiktherapie gewidmet?
Das Gesundheitssystem in Amerika ist das teuerste der Welt, aber gleichzeitig eines der schlechtesten. Die Geburtensterblichkeit ist so hoch wie in schlechten Teilen Afrikas, nur viel teurer. Ich arbeite mit vielen tollen Kliniken in den USA zusammen, die Philosophie des Gesundheitssystems hat aber leider etwas Krankes. Gesundheit sollte das Recht eines jeden Menschen sein. Ich habe Freunde hier in Amerika, die bankrottgegangen sind, weil sie Krebs bekommen haben. Nach der zweiten Operation hatten sie kein Geld mehr. Es ist brutal, es ist fast wie Krieg. Wir müssen unsere Philosophie verändern. In Mitteleuropa haben wir ein Gesundheitssystem, das funktioniert.
Was war die Initialzündung für HealthTunes?
Meine Abschlussarbeit war 2015/2016. Musiktherapie war noch in den Kinderschuhen, aber wissenschaftlich richtig und ideal als Fundament für das, was HealthTunes jetzt ist: eine Non-Profit-Organisation, die kostenlos Hilfe anbietet. Die FDA (Anm.: U.S. Food and Drug Administration, die Arzneimittelbehörde) hat es approbiert, es gibt keine Einwände. Das Fantastische ist, dass alles schneller passierte, als ich es mir erhofft hatte. Stars und Künstler wie Moby unterstützen uns ebenso wie die University of California, Los Angeles. Im Allgemeinen Krankenhaus in Wien begannen wir mit einer Kooperation, viele Kliniken verwenden HealthTunes mittlerweile. Wir arbeiten auch mit den großen Firmen in der Onkologie zusammen.
Musik kann jedoch keine herkömmliche Therapie ersetzen.
Ich würde niemandem anraten, der eine akute Infektion hat, als Gegenmittel Musik zu hören. Allerdings sterben viele Menschen weltweit, weil sie übermedikamentiert werden. Wenn jede Woche ein Jumbojet wegen technischen Versagens abstürzen würde, wäre Fliegen nicht mehr lange erlaubt. Wir haben diese hohe Sterbezahl seit Jahren, weil Menschen zu viele oder die falschen Medikamente bekommen, aber es passiert fast nichts. In Amerika ist ja alles freie Marktwirtschaft, auch bei den Ärzten. Ein Chirurg wird als gut wahrgenommen, wenn die Patienten keine Schmerzen haben, deswegen geben Ärzte zum Teil viel zu viele Schmerzmittel nach einer Operation. Da ist das ganze System krank. Alles ist auf Erfolg ausgerichtet. Das Studium ist so wahnsinnig teuer, die Ärzte müssen das Geld wieder zurückverdienen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Wie groß ist Ihr Team bei HealthTunes?
Knapp 30 Leute. Wir haben das Glück, dass mein Tonstudio „MusikVergnuegen“ ein tolles Office hat, sodass wir teilweise mit HealthTunes dort arbeiten können. Wenn ich die Idee vor 20 Jahren gehabt hätte, wäre das sicher nie so aufgegangen. Meine bestehenden Firmen können sehr viel dabei helfen. Ich arbeite mit großen Werbeagenturen zusammen und habe da sehr gute Kontakte. Wir müssen Wege finden, gesünder zu werden. Die alte Medizin kann da oft nicht mehr wirklich helfen, zum Beispiel bei Angst, Panikattacken, Sucht oder Burnout.
Was bieten Sie mit HealthTunes konkret an?
Wenn jemand mitten in der Nacht ein Symptom hat und auf HealthTunes das Schlagwort dazu eingibt, wird ihm sofort Musik vorgeschlagen, die er kostenlos nutzen kann. Es ist so, dass die Musik, die wir ihm anbieten, auch vertraut sein und gefallen muss. Wenn Sie jemand sind, der immer klassische Musik hört, haben wir eine Playlist für Sie, die „Chronischer Schmerz – Klassik“ heißt. Falls Sie lieber World Music hören, gibt es diese ebenso. Wenn Sie nicht gerne Jazz hören, hätte eine Jazz-Playlist überhaupt keinen Sinn für Sie. Deswegen ist uns diese individuelle Vielfalt sehr wichtig.
Eine Studie der Harvard University zeigt, wie singen nach einem Schlaganfall hilft. Die Patienten können nach drei Wochen „I Feel Good“ singen – aber nicht sagen.