Klassische Künstler haben das Problem, dass ihre Fans im Durchschnitt 60 Jahre oder älter sind. Wie kann man junge Menschen für Klassik begeistern?
Mein Instagram-Account hat die höchste Follower-Anzahl unter den 25- bis 30-Jährigen. Wir brauchen aber auch mehr musikalische Bildung. In Wien gibt es wenigstens viele Opern- und Konzerthäuser. Wenn man hier aufwächst, tut man das in einer der Kulturhauptstädte der Welt. In meiner Heimat Moldawien passiert das nicht.
Sind Crossover-Projekte da hilfreich?
Ja, das glaube ich. Erst gestern habe ich „Caruso“ geprobt und im Moment, als wir mit der Probe begonnen haben, dachte ich mir: Danke, Pavarotti! Er war der erste, der dieses Lied gesungen hat, das kein Opernstück ist, aber so schön. Am Ende des Tages ist es Musik. Pavarottis Duett mit Céline Dion war das Beste. Ich singe sehr oft „Moon River“. Ich mag es sehr und der Film (Anm.: „Breakfast at Tiffany‘s“) hat mich natürlich dazu inspiriert.
Sie sind in Moldawien geboren. Wollten Sie schon immer Sängerin werden?
Schon als ich drei Jahre alt war habe ich alles nachgesungen, was ich im Radio gehört habe, egal ob ich die Sprache kannte oder nicht. Mit fünf hatte ich meinen ersten Wettbewerb als Sängerin, mit sieben habe ich angefangen Violine zu lernen. Meine Mutter war Solistin im Chor, mein Vater sehr talentiert im Malen. Aber er dachte auch ökonomisch und wollte nie irgendetwas mit Kunst machen (lacht).
Wie war Ihre Kindheit?
Ich bin in einem recht großen Dorf aufgewachsen, da gab es eine Musikschule. Ich hatte wundervolle Lehrer im Solfeggio (Anm.: Gesangsübung), auf der Violine und auch im Tanzen. Ich habe alles gleichzeitig geübt (lacht). Später konnte ich eine professionelle Musikschule besuchen.
In Moldawien gibt es die große Nationaloper in Chișinău, doch Sie haben sich entschieden nach Wien zu kommen.
Eigentlich hat Wien sich für mich entschieden und ich bin sehr dankbar dafür. Den ersten Vertrag in Wien habe ich nach einem Wettbewerb in Como bekommen, bei dem Intendanten von großen Opernhäusern Juroren waren. Ich war noch Studentin im ersten Mastersemester an der Musikuniversität in Bukarest. Ich habe den Wettbewerb gewonnen und Dominique Meyer (Anm.: ehemaliger Direktor der Wiener Staatsoper) hat mich zu einem Vorsingen nach Wien eingeladen.
Dominique Meyer hat Sie entdeckt?
Ja, er hat mich entdeckt, mit nach Wien genommen und mir so viele Möglichkeiten eröffnet, dass meine gesamte Karriere mit ihm begann.Meyer war perfekt darin, neue Talente zu entdecken. Man muss nur zurückblicken auf die zehn Jahre, in denen er Staatsoperndirektor war und sich all die Namen anschauen, die jetzt große Stars in der klassischen Musikwelt sind. Ich war 23 Jahre alt und noch nicht hundertprozentig bereit für die Bühne, aber er hat mein Potential erkannt. Man darf nicht zögern und er ist sehr gut in diesen Dingen. Er hatte auch dafür ein Gefühl, die richtigen Personen zusammen singen zu lassen. Er war immer sehr streng. Auch wenn er dich mochte, musstest du trotzdem sehr hart arbeiten. Er hat nie einfach nur „Brava“ zu mir gesagt – vielleicht in drei Jahren einmal. Das bringt dich dazu, dich nie auszuruhen.
Üben Sie jeden Tag?
Man sollte jeden Tag üben. Es gibt auch Reisetage oder man muss manchmal pausieren. Die Stimme ist ja ein Muskel und man sollte ihn nicht überstrapazieren. Man kann die Stimme nicht austauschen wie zum Beispiel eine Violine. Gerade bereite ich mich für Mozarts „Così fan tutte“ in Italien vor. Ich singe Fiordiligi und ich übe seit einigen Wochen täglich dafür. Ich habe ständig diese Alpträume, dass ich den Text vergesse.
Ist Ihnen das schon einmal auf der Bühne passiert?
Ja, das kommt schon vor. Manchmal ist man sich so sicher in etwas und dann plötzlich passiert es doch. Aber ich kann sehr schnell reagieren. Ich fange dann an die Töne darüber zu singen und die Passage schnell vorbeigehen zu lassen. Es ist zwar gut, wenn man eine Souffleuse hat, aber selbst die kann dir nicht helfen, wenn das Tempo sehr schnell ist. Deshalb habe ich diese Alpträume, dass ich unvorbereitet auf die Bühne gehe und dass der Dirigent mich anschaut und der Regisseur mich anschreit. Das sind die schlimmsten Alpträume für eine Opernsängerin. Ich bin Perfektionistin auch wenn ich nicht perfekt bin.