Marlen, Ihr Vater ist in Wendling in Oberösterreich in sehr armen Verhältnissen aufgewachsen. Wie ist Ihre Kindheit verlaufen?
Marlen Kubinger (MK): Meine Kindheit war etwas, wofür man dankbar sein muss, weil viele Menschen – wie mein Vater – eben nicht diese Möglichkeiten hatten, Zugang zu sauberem Wasser zu haben, sich Essen, das man möchte, einfach kaufen zu können, ein warmes Bett zu haben, einen Ort, wo es auch im Winter trocken ist. Ich bin dankbar, dass in meiner Kindheit dafür gesorgt wurde.
Haben Sie schon als Kind verstanden, was Ihr Vater mit seiner Forschung eigentlich macht?
MK: Als Kind war es einfach dieses: „Okay, mein Vater macht Wasser sauber.“ Aber ich wusste nicht genau, wie das funktioniert. Ich bin bereits im Alter von 12, 13 Jahren jeden Tag nach der Schule in die Firma gekommen, um dann bis zum Abend hierzubleiben und im mikrobiologischen Labor bei Analysen zu helfen, weil mich das interessiert hat. Zu sehen, was konkret gemacht wird, um Wasser tatsächlich sauber zu bekommen. In den Sommerferien habe ich jeden Tag mitgearbeitet. Jetzt bin ich seit Februar angestellt.
Sie sind 18 Jahre alt. Was war als Kind Ihr Traum?
MK: Als Kind hat man sehr viele Träume. Ich kenne Leute, die wollten Sängerin werden oder Feuerwehrmann. Später im Leben ändern sich diese Vorstellungen. Niemand erklärt einem Volksschulkind beispielsweise, dass in den Kläranlagen sehr verschmutztes Wasser ist, das ein Gesundheitsrisiko für Menschen darstellen kann. Und das es zu reinigen gilt, um Schadstoffe daraus zu entfernen. Wie es in einem Labor ist, das hört man in der Schule nicht. Wenn man dann in eine Firma wie VTA kommt und das Glück hat, sich hier engagieren zu dürfen, dann weiß man: Das ist, was ich machen möchte. Ich möchte ein Teil davon sein, Wasser für die Welt zu verwirklichen.
Herr Doktor Kubinger, Sie sind als Arbeiterkind aufgewachsen, Marlen als Tochter eines sehr erfolgreichen Unternehmers. Was haben Sie Ihr vermittelt?
Ulrich Kubinger (UK): Den Wert der Familie. Da zu sein für sie, sie im Leben begleiten zu dürfen. Es war für Marlen nicht immer leicht, auch für mich nicht. Ich wollte nie Zwang auf mein eigenes Kind ausüben, etwas zu tun oder tun zu müssen, was ich selber als gut erachte. Ich habe hier mit sehr viel Einfühlungsvermögen versucht, meine Tochter zu begleiten. Für mich ist mein Kind das Wichtigste in meinem Leben. Wir sind beide sehr gläubig, wir sind religiös. Wir beten auch gemeinsam. Wir gehen gemeinsam spazieren und besprechen immer wieder wichtige Sachen. Das Leben kann doch nicht schöner begründet sein als in einem eigenen Kind, das fortsetzt, was man selbst aufbaut. Indem sie eine Vision, die ich habe, aufgreift und sagt, so wie meine Tochter das macht: „Ja, das will ich auch tun.“ Wenn ich hier mal nicht mehr sein sollte, dann weiß ich eines: Ich habe meiner Tochter etwas in die Hand gelegt, das sie weiterführen kann. Das Schöne an der Sache ist: Wasser ist keine Modeerscheinung. Wasser ist auch kein Hype. Unser Unternehmen existiert jetzt seit über 30 Jahren. Wir haben ständig kontinuierliche Wachstumsraten. Das heißt, es ist genug Platz für meine Tochter nach oben, sich hier zu orientieren, und ich darf ihr persönlicher Reisebegleiter sein, solange sie es sich wünscht.
Es geht bei Ihnen um eine zentrale Ressource der Menschheit: unser Wasser.
UK: Es kann kein schöneres Lebenswerk geben, als anderen Menschen zu helfen, sauberes Wasser zu haben. Wir nehmen so viel als selbstverständlich an. Aber was denken jene Leute, die kein sauberes Wasser mehr haben? Nicht nur als Gesellschaft, auch als Land treten wir das Wasser mit Füßen. Wir müssen den Menschen viel mehr die Bedeutung unseres Wassers beibringen. Das Wasser ist vor zirka 3,5 Milliarden Jahren entstanden durch ein Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch und hat dann die Atmosphäre gebildet, die Grundlage des Lebens. Das war im Hadaikum (Anm.: die Entstehung der Erde vor 4,6 Milliarden Jahren). Wasser regnete Jahrmillionen ab und erzeugte mehr oder minder die Meere und Flüsse. Es wurde ein Kreislauf geschaffen. Es gibt viele Leute, die denken, das ist alles Zufall gewesen. Ich denke, dass es hier eine ganz klare Schöpfung gibt. Die Systematik in unserem Weltall, auf unserer Erde und auch deren Entstehung ist eine göttliche Schöpfung.
Ihr Vater hat gesagt, dass der Glaube für Sie beide enorm wichtig gewesen ist. Gab es auch Phasen der Rebellion?
MK: Nein, bei mir war das nie so. Wenn man ein kleines Kind ist, dann nimmt man sich seine Eltern immer als Vorbilder. Wenn die Eltern religiös sind, jeden Tag vor dem Kreuz beten oder in die Kirche gehen und man das einfach von klein auf mitbekommt, dann denkt man sich selber, dass es das Richtige ist. So wurde mir das auch mitgegeben und ich war auch immer sehr gläubig. Daran wird sich nie etwas ändern. Ich glaube, wenn man Gott ehrt, ihm Aufmerksamkeit gibt durch Gebete und mit ihm spricht, dass er das dann alles auch zurückgibt.
Herr Doktor Kubinger, war für Sie immer klar, dass Ihre Tochter eines Tages in Ihre Fußstapfen treten und die VTA übernehmen soll?
UK: Ich möchte noch etwas zum Glauben sagen, was ich auch meiner Tochter vermittelt habe. Wenn man gläubig ist, ist man nie alleine, selbst wenn man alleine ist. Der Glaube begleitet dich. Es war für mich nicht selbstverständlich, dass meine Tochter in meine Fußstapfen tritt. Es war mein Wunsch. Aber Liebe heißt ja nicht festhalten, sondern auch loslassen können. Umso mehr freut es mich, dass sie sich aus freien Stücken entschieden hat, sich für gesundes Leben in der Welt einzusetzen. Da habe ich sehr hohen Respekt vor meiner Tochter.
Marlen, Sie sind jetzt bereits voll in das Unternehmen integriert?
MK: Ich bin derzeit im Marketing tätig, habe aber schon jede Abteilung gesehen. Es ist sehr interessant, die Firma zu repräsentieren, auch um anderen zu zeigen: Es gibt viel, was man für die Umwelt tun kann. Ich empfinde es als Privileg, dass man sich hier für eine Sache einsetzt, die auch für kommende Generationen wichtig sein wird. Und die einfach sehr viel mit Zukunft zu tun hat und deren Gestaltung.
Sie repräsentieren VTA bereits bei Events wie dem 11. Kitzbüheler Wassersymposium und treten sehr überzeugend und souverän auf. Macht Ihnen das Spaß?
MK: Ich könnte mich jetzt gar nicht entscheiden, welches Gebiet mich am meisten interessiert, weil einfach jede Abteilung diese Vielfalt an Aufgaben hat. Vor allem im Labor gibt es immer wieder ganz neue Sachen zu entdecken. Es wird geforscht und entwickelt. Dabei entstehen innovative Produkte. Marketing und Public Relations interessieren mich persönlich deswegen, weil ich anderen Menschen näher bringen möchte, was VTA für die Umwelt tut.
Ihr Vater ist ein Umweltpionier und Visionär. Was schätzen Sie als Tochter am meisten an ihm?
MK: Ich bin sehr stolz auf meinen Vater. Als Kind beschäftigt man sich ja nicht gerade mit einer Kläranlage. Leider bedenken auch viele erwachsene Menschen nicht, was passiert, wenn man zu Hause die Spülung drückt. Das kann letztendlich ein Risiko darstellen, wenn das Abwasser am Ende nicht sorgfältig gereinigt wird. Milliarden von Menschen haben dieses Luxusgut nicht, nämlich Zugang zu sauberem Wasser. Wir können Wasser trinken, baden, wo 40, 50 Liter Trinkwasser einfach verschwendet werden. Doch auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die nicht mal ein Glas sauberes Wasser haben, das wir selbst jeden Tag in den Kanal runterlassen. Wir müssen allen Menschen das Grundrecht auf sauberes Wasser ermöglichen. Zu viele sterben jeden Tag noch daran, weil sie es nicht haben.
Herr Doktor Kubinger, was sind neben dem Glauben jene Werte, die Sie Ihrer Tochter vermittelt haben?
UK: Ehrlichkeit. Und Respekt. Dass man Menschen, gleich welcher Herkunft, nicht vorverurteilt. Dass jeder Mensch dasselbe Grundrecht auf ein lebenswertes Umfeld hat. Wir sind auch im Unternehmen sehr sozial aufgestellt. Ich bezeichne meine Firma immer als Familie. Und ich habe versucht, meiner Tochter immer wieder aufzuzeigen, welcher Weg aus meiner Erfahrung gut ist. Die Vater-Tochter-Beziehung muss eine ehrliche Beziehung sein und ist natürlich auch diskussionsdynamisch. Meine Tochter hat oft ihre Sichtweise. Sie ist mittlerweile erwachsen und es ist für mich eine sehr große Freude, dass sie sich so engagiert. Ich liebe meine Tochter. Liebe ist das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt. Das sinnvolle Teilen von Ressourcen habe ich immer wieder zu vermitteln versucht. Die Einstellung meiner Tochter ist eine hoch soziale. Ich versuche, als Vater ein Begleiter auf ihrem Lebensweg zu sein. Ich bewundere meine Tochter, mit welcher Eloquenz und Dynamik, aber auch jugendlicher Kraft und mit welchem Sach- und Fachverstand sie an die Sache herangeht. Und vor allem auch mit welchem sozialen Engagement. Ich bin richtig stolz auf sie.
Gerade bei Familienunternehmen ist es oft so, dass die ältere Generation nicht loslassen kann.
UK: Es ist eine Vertrauensfrage. Wenn ich nämlich einem Menschen nicht vertraue, dann habe ich immer wieder das Gefühl, ich muss eingreifen. Ich bin froh, einmal loslassen zu dürfen, weil ich meiner Tochter vertraue. Wichtig ist zu tun, was man sagt. Misstrauen ist der Motor der Angst. Das habe ich nicht. So habe ich Vertrauen und bin glücklich darüber, dass ich in meinem Leben sicher nicht alles richtig gemacht habe, aber das Wenigste falsch.
Sie arbeiten in einem hochkomplexen Nanotechnologiefeld, sind selbst Chemiker. Wie vermitteln Sie Ihrer Tochter dieses komplexe Wissen?
UK: Meine Tochter verfügt über ein überaus hohes Maß an Verstand. Sie hat Marketing, Wirtschaft, Biologie gelernt und schon als junger Mensch begonnen, in den Forschungslabors mitzuarbeiten. Sie hat auch Schulklassen durch das Unternehmen geführt. Ich habe gesehen, von welch rascher Aufnahmefähigkeit sie ist. Wir haben eine eigene Forschungsabteilung, sie wird nie allein sein. Wenn die Mitarbeiter Ihnen vertrauen, wenn sie das gesagte Wort auch umgesetzt bekommen, dann erhöht man die Leistungsfähigkeit enorm. Das hat meine Tochter auch gelernt. Und sie ist im Unternehmen sehr beliebt. Meine Tochter wird genau wie ich entscheiden müssen, welchen Weg sie geht. Das mache ich auch nicht alleine. Wir vertrauen auf unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Und weder meine Tochter noch ich werden sie enttäuschen.