Sie stammen aus einfachen Verhältnissen. Wie konnten Sie die VTA Gruppe aufbauen?
Ich komme aus dem kleinen Ort Wendling und wurde 1957 geboren, 12 Jahre nach Kriegsende. Mein Vater war Elektriker bei der VÖEST. Wir hatten keine funktionierende Toilette, kein heißes Wasser, keine Zentralheizung. In der Küche war die Wäscheleine gespannt, weil es dort warm war. Es war sehr deprimierend. Ich wurde spartanisch erzogen, aber meine Eltern haben mir eine Grunddisziplin vermittelt.
Waren Sie da schon gläubig?
Der Glaube an Gott war mir immer wichtig. Ich bin als junger Mensch draufgekommen, dass der Glaube Berge versetzen kann. Er schafft Hoffnung. Und wer diese Hoffnung nicht in sich trägt, ist wie ein Auto ohne Navigationsgerät. Er kann zwar fahren, hat aber keine Orientierung.
Sie waren auf der HTL in Wels. Ab welchem Zeitpunkt war für Sie klar, was Sie machen wollen?
Die Chemieschule war für mich eigentlich nicht erstrebenswert. Ich wollte zur Bundesbahn Fahrdienstleiter werden. Ich bin bei der Großmutter aufgewachsen, sie hat mich durchgefüttert. Der Glaube lässt dich nicht alleine, auch wenn man so ausgestoßen wird wie ich. Ich habe zum Beispiel mit keinem Auto der Bauern mitfahren dürfen, wenn die Kinder zur Schule gebracht worden sind im Winter. Ich habe zu Fuß gehen müssen, denn ich war ein Arbeiterkind. Ich habe bis 11 Jahre nur eine kurze Lederhose gehabt, eine übertragene, die war steinhart. Im Winter trug ich darunter eine Strumpfhose, die hundertmal gestopft worden ist, doch meine Großmutter hat immer gesagt: Die Leute, die ein Loch haben, müssen sich schämen, aber die das zugeflickt haben, brauchen das nicht. Das kann man sich heute nicht vorstellen. Was ich dabei aber gelernt habe, war, was man ohne Geld tun kann: Man kann beobachten. Ich habe Menschen beobachtet, Tiere, die Sterne. Ich bin der Naturwissenschaft immer näher gekommen.
Hat Sie diese harte Kindheit geprägt?
Ich habe das gut weggesteckt und aus dem heraus natürlich eine gewisse Stärke entwickelt. Aus der ÖBB-Laufbahn ist nichts geworden, weil ich auf einem Auge durch einen Fahrradunfall schlecht gesehen habe. Ich habe so die Chemieschule gemacht, nach einem Arbeitsplatz gesucht und bin zu einer Universitätskläranlage gekommen. Von da an habe ich mich der Umwelttechnik gewidmet. Das Problem mit den Kläranlagen war damals schon die Energie und der Schlamm: Viel Schlamm, viele Probleme. Ich bin dann über Umwege zu BASF gekommen. In Ludwigshafen habe ich die erste richtige Kläranlage gesehen. Gigantisch. Dort bei der BASF habe ich die Polymerchemie erlernt, das war so um 1990.
Sie waren 35 Jahre alt, als Sie VTA als One-Man-Show gegründet haben.
Wie ich die Klärwerke bei BASF gesehen habe, habe ich verstanden, dass alle unter demselben Problem leiden. Sie haben zu wenig Sinkgeschwindigkeit beim Schlamm. Die einzige Antwort war, immer größere Becken zu bauen. Damit ist das Problem aber nicht gelöst. Wenn ich heute in einem Krankenhaus falsch operiere und ich baue ein doppelt so großes Krankenhaus und operiere weiter falsch …
… wird es am Problem selbst nichts ändern.
Ich wusste: Das kann ich besser. Und darum habe ich meinem Unternehmen den Namen VTA gegeben für „Verfahrens Technologische Abwasseraufbereitung“. Ich bin Verfahrensingenieur.
Ich wusste, dass der Schlamm der Energiefresser schlechthin ist. Du musst den Schlamm so schnell wie möglich in den Boden der Kläranlage bringen. Das hängt mit der Sinkgeschwindigkeit zusammen. Die bisherigen Systeme sind meiner Meinung nach restlos veraltet. Ich habe mich dann selbstständig gemacht.
Gab es ein Schlüsselerlebnis dabei?
1992 habe ich zu Hause im Keller in einem Wäschebehälter mit dem Kochlöffel das erste Mittel zusammengerührt und wieder vergessen. Meine damalige Frau hat nach einiger Zeit gesagt, ich soll das wegbringen, weil wenn das ein Kind von uns erwischt, kommt es noch zu Schaden. Dann habe ich es in einen Weichspülerkanister gefüllt und zur Kläranlage zur Entsorgung gebracht. Ich habe dem Klärwerker erklärt, was es ist. Dann haben wir mit einem Nagel ein Loch in den Kanister gemacht und es ein bisschen dazutröpfeln lassen zur Kläranlage. Zwei Tage später rief er mich aufgeregt an, ich solle sofort kommen. Was da auf der Kläranlage geschehen ist, hat er noch nie gesehen. Er stand bei der Kläranlage, schüttelte den Kopf und sagte: „Jetzt bin ich 24 Jahre hier und habe noch nie im Becken den Boden gesehen. Ich kann 2,5 Meter ins Wasser reinschauen, so sauber ist es geworden. Kannst du mir mehr von dem bringen? Das ist ja ein Wundermittel. 50 Kilo würde ich nehmen. Was kostet denn das?“ Ich antwortete: „17 Schilling (Anm.: ca. 1,24 Euro) das Kilo. Die erste Rechnung hat der Dorfgräber von Weibern auf einen Zettel geschrieben. So hat alles begonnen. Im ersten Jahr habe ich schon 100.000 Euro verdient. Das hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Da war ich noch allein, heute haben wir 400 Mitarbeiter. Wir sind die größte Firma auf dem Gebiet geworden.
2003 sind Sie in den Bereich der Nanotechnologie eingestiegen.
Ja. Das war relativ früh. Wenn man sich die Methodik an Klärwerken ansieht, so ist sie nicht mehr zeitgemäß. Das ist so, als würde man heute noch Autos ohne Katalysator bauen. Wenn ich heute eine Tablette vom Arzt bekomme, und die kostet 20 Cent, doch es gibt eine andere Tablette, die zwar fünf Cent mehr kostet, aber dafür keine Nebenwirkungen mehr hat, sollte man die teurere nehmen, wenn man dadurch keinen Hautausschlag und keine Netzhautablösung bekommt. Verstehen Sie, was ich meine?
Ja, natürlich.
Und jetzt zeige ich Ihnen Nanotechnologie. Das ist Ingenieur Watschinger, der mir jetzt zur Seite steht. Das ist ein Glaskolben mit Abwasser, fäkalienverseucht mit allen Giftstoffen, die man sich vorstellen kann, auch Viren und Keimen. Dann tun wir einen Tropfen Nanofloc dazu, nur einen einzigen. Jetzt schauen Sie einmal, was da passiert (siehe Bilder 03-05).
Unglaublich. Nach 30 Sekunden ist das Wasser klar, alles sinkt zu Boden.
Das kann keiner auf der ganzen Welt. Das habe ich entwickelt. Das geht in Sekunden. Das ist der Durchbruch. Und da machen wir weiter mit Nanokarbon.
Wie lange haben Sie an dieser Entwicklung gearbeitet?
Sieben Jahre. Keinen Tag Urlaub. Das ist das Ergebnis.
VTA hat große Bereiche mit VTA-Produkten wie beispielsweise Nanofloc und Technologie für die Abwasserreinigung.
Die Säulen der VTA sind der Bereich Forschung und Entwicklung, wo wir jetzt einen eigenen Campus bauen und mit der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Salzburg Wissensvermittlung anbieten. Wir haben hier bereits das Institut, wo wir auch die Kläranlagen unterstützen in der Analytik. Wir müssen erst einmal ergründen: Wo drückt der Schuh. Das machen wir bei jedem individuell. Wir stellen die Produkte selber her, haben die größte Mischanlage Europas und können täglich drei Millionen Kilo herstellen.
Sie analysieren individuell bei jedem Kunden das Problem?
Ja. Nicht nur bei der Fluglinie heißt es „Service is our Success“. Wir berechnen bei der Entwicklung auch die ganze Energiebilanz und bieten den kompletten analytischen Bereich an. Wir machen maßgeschneiderte Produktlösungen. Ich habe in Straßburg beim EU-Parlament den Versuch vorgeführt. Da sind sie dann alle aufgestanden und haben geklatscht. So sauber wird Wasser durch Nanotechnik, der Schlamm bekommt so eine große Struktur, dass sich nicht nur der Sauerstoff besser ausnutzen lässt in der Kläranlage, was zu einer Energieeinsparung von circa 20 bis 30 Prozent führt. Der Schlamm lässt sich auch viel besser entwässern, was wieder CO2 spart.
Ihr neues Produkt, Nanokarbon, soll auch noch Mikroplastik entfernen?
Da waren wir ja auch schon bis jetzt, was partikuläre Stoffe betroffen hat, relativ gut dabei. Wir haben das noch weiter modifiziert. Es gibt ja eine EU-Vorlage, dass man eine vierte Reinigungsstufe bei Kläranlagen bauen muss. Sie soll noch das rausfiltrieren aus dem Abwasser, was die ersten drei Reinigungsstufen nicht bewerkstelligt haben, also Mikroplastik, Keime, Viren, medizinische, medikamentenmäßige Stoffe. Jetzt kommt die Pointe: Zur vierten Reinigungsstufe muss ich ein Riesenbecken bauen. Das Verfahren ist ein altes Prinzip und in sich selber fragwürdig, nämlich Aktivkohle reinzuschmeißen, die alles absorbiert. Und dann, damit ich alles herausspalte, was drin ist, tue ich Ozon hinein, ein hochaktives Oxidationsmittel. Das bringt Transformationsprodukte, die noch giftiger sind als jene, die schon drin waren, nämlich krebserregende Stoffe. Jetzt kommen wir und können mit modernster Nanotechnologie in der dritten Reinigungsstufe das alles schon rausbringen.
Ich nehme an, es gibt eine starke Lobby, die sich Ihnen da entgegenstellt.
Da musst du eine starke Firma sein und darfst auf gar keinen Fall eine Abhängigkeit haben, weil das ist natürlich ein Milliardengeschäft. Wenn ich 50 Prozent der Kläranlagen auf die vierte Reinigungsstufe ausbaue, brauche ich alleine zum Hineinblasen des Ozons so viel Energie wie die Stadt Salzburg in einem Jahr. Das erspart man sich alles mit unserer Entwicklung.
Ihre Technologie wird vielfältig eingesetzt: Von Lech am Arlberg, Kitzbühel bis Hallstatt. Wie ist Ihr Plan zur Internationalisierung?
Unsere Devise ist: Wasser für die Welt. Das heißt, in all jenen Ländern, wo die Menschen nicht die Versorgung mit sauberem Trinkwasser haben, diese durch unsere Technologie zu ermöglichen. Wir reden von Afrika, von Teilen Südamerikas, Asiens und Südeuropas.
Wie viele Produkte haben Sie entwickelt?
Seit 1992 circa 2.000. Und ich habe über 100 Patente.
Was gibt es noch für Ziele?
Für mich ist sauberes Trinkwasser ein Menschenrecht. Wir verschmutzen unser Wasser brutal und rücksichtslos. Zu zeigen, wie aus einer Kloake wieder wertvolles, nutzbares Wasser werden kann, ist mein Ziel. Bei drei Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, ist das eine Mammutaufgabe. VTA ist ein Umweltmissionar.
Was wollen Sie am neuen Campus vermitteln?
Wissen. Wir brauchen für junge Menschen wieder Inhalte. Und ich werde mit unserem Campus diese Inhalte anbieten.
Fotos: Roland Ferrigato für OOOM