Wie hat Covid-19 den Kunstmarkt verändert?
Im März 2020, als Covid begonnen hat und zum ersten Lockdown führte, ist der Kunstmarkt zum Erliegen gekommen: Es gab keine Ausstellungen, keine Galeriebesuche, keine Auktionen. Der Schock war zu Beginn sehr groß, man hat dann relativ schnell reagiert und vieles nach zwei, drei Monaten ins Netz verlegt. Der Umsatzeinbruch im internationalen Kunstbereich im zweiten Quartal 2020 war fast 90 Prozent, aufs ganze Jahr umgelegt ein Drittel.
Wurde das Internet plötzlich zum wichtigen Vertriebskanal für Kunst?
Man hat bemerkt, dass man im Netz doch viel bewegen kann, aber das physische Erlebnis vom Kunstkauf nicht ersetzen kann. Wir hatten das Glück, dass wir schon im Vorfeld begonnen haben, unseren Auftritt im Netz wesentlich zu verstärken. Wir hatten da ein völlig neues Team in London, so konnten wir rascher reagieren und Ausstellungen in das Netz verlegen.
Ihre Ausstellungen kamen also völlig zum Erliegen?
Es gab einen Moment im Winter 2020/21, wo wir 18 Ausstellungen physisch nicht durchgeführt hatten. Wir hatten von den Ateliers von 18 verschiedenen Künstlern hunderte Kunstwerke geliefert bekommen, die wir nicht zeigen konnten. Wir mussten rasch zusätzliche Lagerflächen in London und Paris anmieten, um die Werke lagern zu können. Wir sind immer noch dabei, diese Ausstellungen abzuarbeiten.
2021 war für den Kunstmarkt dann ein gutes Jahr?
Als das Vakzin kam, wussten wir: Die Lage wird sich normalisieren. Der einzige Nachteil: Die Sammler sind nicht gereist. Man hat ein lokales Publikum bedient. Die Reisetätigkeit ist immer noch extrem eingeschränkt, Messen werden nach wie vor abgesagt. Doch wir sind 2021 wieder zur alten Stärke zurückgekehrt.
Wird man ein Werk von Anselm Kiefer oder Alex Katz einmal mit dem „Buy“-Button online kaufen können?
Das, was sich 2021 wirklich verändert hat, ist, dass Menschen Kunst gekauft haben, ohne sie gesehen zu haben. Man kann Kunst auch online erwerben, wenn man das Werk eines Künstlers gut kennt und ein Vertrauensverhältnis zur Galerie hat. Diese Kontaktaufnahme lief immer über das Netz, dann gab es aber doch einen intensiven Kontakt zu den verschiedenen Experten des Teams, die den Kaufprozess begleiten. Schwieriger wird es, wenn man sich noch nicht kennt. Das passiert inzwischen auch immer öfter bei jüngeren Sammlern, wobei wir da schon den Käufern entgegenkommen: viele Kunstwerke werden auf Approvals versandt, die Sammler sehen sie und können danach noch vom Kauf zurücktreten, wenn es nicht ihren Vorstellungen entspricht.
Digitale Kunstwerke wie NFTs werden immer beliebter und zum Teil um viele Millionen Euro verkauft. Werden Sie damit handeln?
NFTs sind „here to stay“. Es gibt eine Art Parallelentwicklung. Der Kunstmarkt wächst ja nach wie vor sehr stark: Umsätze werden immer höher, und im Moment sind es vor allem jüngere Sammler, die aus einer Generation kommen, die sich sehr für Krypto interessiert und den Kunstmarkt als Teil ihrer Spielwiese betrachtet. Das bringt auch ein enormes Kapital, aber ein Kapital, das dem klassischen Kunstmarkt in keiner Weise verloren geht, sondern sich addiert. Es gibt vermehrt Künstler aus dem klassischen Bereich wie Damien Hirst, die sich auch mit NFTs beschäftigen. Aber sicher nicht alle interessiert das – aus unserem Bereich sind es ganz wenige. Mein großer Kritikpunkt ist, dass man hier noch viel zu wenig über die künstlerische Qualität dieser Werke diskutiert. Im Moment wird das Phänomen der Echtheitsgarantie so überbewertet, dass man die Qualität des eigentlichen Kunstwerks dabei vergisst. Es gibt kaum eine Bewertungsbasis, auf die sich die Kunstszene geeinigt hat, unabhängig vom Kunstmarkt, der das sofort angenommen hat, vor allem die Auktionshäuser, weniger die Galerien. Tom Sachs, ein Künstler, mit dem wir zusammenarbeiten, beschäftigt sich bereits aktiv mit NFTs und wir werden das begleiten. Inzwischen beteiligen sich auch die Museen – auch das Belvedere in Wien bietet NFTs von Klimts „Der Kuss“ an.
Keine Kritik an NFTs?
Was mich noch sehr zurückhält, ist, dass NFTs Klimakiller sind. Im Moment ist die Rechnerleistung mit einem ökologischen Aufwand verbunden – das werden wir noch diskutieren müssen. Wir wollen den Carbon Footprint aller Galerien bis 2030 auf die Hälfte reduzieren. Bei NFTs einzusteigen wäre genau das Gegenteil dessen, was wir umsetzen wollen, weil der Energieaufwand gigantisch ist. Man wird hier Wege finden müssen, um das zu reduzieren, sonst sehe ich in einem seriösen Kunstbetrieb das Verwenden von NFTs wirklich problematisch. Was letztendlich der Besitzer eines NFTs erwirbt, das wird noch zu klären sein, weil das in der jetzigen Euphorie vielen noch nicht klar ist.
Würden Sie einen Künstler wie Beeple vertreten, dessen NFT-Werk „Everydays: The First 5000 Days“ um 69 Millionen US-Dollar versteigert wurde?
Nein, weil ich da auch einen großen Zweifel habe, was die Qualität betrifft. Aber ich glaube auch, dass man Künstler, die jetzt aus dieser Bewegung kommen, anders beurteilen muss.
Was wird das Metaverse bringen?
Das Metaverse wird den Kunstmarkt auf jeden Fall inspirieren, die Kunst wird eine Rolle spielen und ich kann mir vorstellen, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt auch einen Space darin haben werden. Viele vermischen Kryptoaktivitäten mit dem Metaverse. Da geht es um Virtual Reality, um ein zweites digitales Leben, wo eine Galerie auch Kunst zeigen und anbieten kann.
Was erwartet uns 2022 in der Kunstwelt?
Es wird eine Euphorie geben. Die Pandemie hat in den Künstlerateliers zu Glanzleistungen geführt. Die Künstler waren kaum abgelenkt, sie konnten weniger reisen, weniger Besuche empfangen und sich umso mehr um ihre Kunst kümmern. Das hat wirklich zu einer Vielzahl von außergewöhnlichen Werken geführt.
Foto: Marco Riebler/Galerie Ropac