Sie feiern diesen Sommer das 40-Jahr-Jubiläum Ihrer Galerie und zeigen Werke aus der Anfangszeit, denen Sie Werke aus 2023 gegenüberstellen.
Wir haben uns lange überlegt, was wir machen sollen. 40 Jahre sind ein schönes Jubiläum, wo wir zurückblicken wollen, aber andererseits auch nach vorne sehen. So entstand die Idee: Wir gehen ins Jahr 1983 zurück. Das war damals ein für mich äußerst spannendes Jahr. Wir haben mit sehr, sehr starken Künstlern begonnen: Robert Mapplethorpe, Georg Baselitz, Jean-Michel Basquiat, Joseph Beuys, Andy Warhol. Das ist dann wie ein Time-Freezer: Wir nehmen die Stimmung eines Jahres und zeigen wirklich ganz wichtige Werke aus dieser Zeit.
Dem stellen Sie Werke aus 2023 gegenüber.
Genau. Wir zeigen ein Stimmungsbild der Gegenwart mit Künstlern, die jetzt aktuell neu sind und mit denen wir arbeiten. Wir zeigen auch bestimmte Künstler damals und heute, zum Beispiel ein Werk von Baselitz aus 1983 und eines aus 2023. Wir haben auch viele Leihgaben bekommen. Das ergibt natürlich automatisch ein Zeitbild: Wo war die Kunst damals und wo steht sie heute? Das ist schon ein großer Unterschied.
Wir haben 1983 mit sehr starken Künstlern begonnen: Mapplethorpe, Baselitz, Basquiat, Beuys, Warhol. Wir nehmen die Stimmung des Jahres und zeigen ganz wichtige Werke aus dieser Zeit.
Viele der Künstler aus 1983 sind mittlerweile verstorben: Rauschenberg, Lichtenstein, Mapplethorpe, Basquiat, Warhol, Beuys.
Viele Künstler sind einfach nicht mehr da. Aber es gab ganz wichtige Künstler, mit denen wir damals gearbeitet haben, wie Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Tony Cragg oder Antony Gormley, von denen gibt es Werke aus beiden Jahren zu sehen.
Die ersten Gespräche, die wir beide über Salzburg geführt haben, sind 30 Jahre her. Mortier war damals der Gottseibeiuns der alteingesessenen Salzburger Gesellschaft. Wie hat sich Salzburg in den letzten 30 Jahren verändert?
Enorm. Mortier war eine unglaublich wichtige Figur, um Salzburg – notwendigerweise – zu erneuern. Diese große Zeit der Siebzigerjahre, die war danach erstarrt. Salzburg hat das wirklich grandios in diese neue Zeit geschafft. In Salzburg wurde immer die Latte gelegt, auch in der klassischen Musik. Da wurden Talente entdeckt, extrem gefördert, da haben sie die große Bühne bekommen. Und was Mortier wirklich verändert hat, ist, dass einfach das Regietheater einen ganz wichtigen Platz fand. Das Publikum will keine antiquierten Inszenierungen mehr. Salzburg hat dieses Bravourstück geleistet, das Publikum mitzunehmen und jene, die nicht mitwollten, auch stehenzulassen und durch neue zu ersetzen. Dadurch hat sich die Stimmung dieser Stadt einfach ständig erneuert.
Die Konkurrenz, was Festivals betrifft, ist auch deutlich größer geworden.
Salzburg wird angetrieben, immer irgendwie ganz vorne dabei zu sein im Musikbetrieb und diesen mitzugestalten, wie die Gegenwart der Musik aussieht. Da braucht man auch ein Publikum, das mit einem mitgeht. Diese Konsequenz hat sich bezahlt gemacht. Das hätte auch schnell zu einer wirklich zweitklassigen Opernrevue verkommen können.
Welcher Intendant der letzten Jahrzehnte hat die Festspiele am meisten verändert und geprägt?
Ohne Zweifel Mortier. Ohne Mortier wäre all dies nicht möglich gewesen. Er hat einfach diesen Schnitt gemacht und gesagt: Wir müssen uns über die Regie erneuern. Die Menschen wollen, dass die Festspiele in die Neuzeit kommen, dass sie berührt werden, dass das ihr Leben betrifft, und nicht irgendwie das 17. Jahrhundert. Das konsequent einzufordern war das Wichtigste, was Mortier machen konnte. Sich nicht auf einen Mittelweg einzulassen mit ein bisschen was Klassischem hier, das die Gemüter beruhigt, und etwas Modernem da. Das wäre nicht gegangen, obwohl sich das viele gewünscht oder erwartet haben. Seine Nachfolger haben das dann einfach weitergesponnen.
Sie haben Mortiers Mission übernommen?
Da war niemand dabei, der sich quergestellt hätte. Sie haben diesen Auftrag übernommen und das dann selbständig weitergezogen. Dadurch wurde das Publikum in eine zeitgenössische Auffassung von Kunst und Oper mitgenommen. Auch wir arbeiten hier mit zeitgenössischen Künstlern. Dadurch ist Salzburg eine unglaublich moderne Stadt geworden und hat davon enorm profitiert. Salzburg selbst hat ja von sich aus eine sehr, sehr bescheidene Künstlerbasis, die großen Künstler kommen alle von außen.
Salzburg lebt davon, dass die Künstler für wenige Wochen herkommen, Grandioses leisten — und dann auch wieder gehen
Wie ist das mit dem Kunstmarkt, der vor 30 Jahren noch ein Elitenmarkt war? Ist dieser Kunstmarkt auch immer breiter und letztendlich jünger geworden?
Ja, ganz deutlich sogar. Da war dieser Sprung viel größer als in der klassischen Musik. Die Kunstszene vor 40 Jahren war wirklich klein, überschaubar, eine Elite. Es war der Elfenbeinturm. Ich habe in diesen 40 Jahren erlebt, wie die Kunst vom Elfenbeinturm ins Zentrum des Lebens gekommen ist. Wie ich in den Siebzigerjahren in Kärnten zur Schule ging, da hat die Kunstgeschichte bei Kokoschka aufgehört. Den Begriff „zeitgenössische Kunst“ gab es damals nicht. Schiele, Klimt, Kokoschka – damit war die Kultur beschrieben. Das hat sich völlig verändert. Es gab nie eine Zeit, wo zeitgenössische Kunst so vehement auch von den Menschen eingefordert wurde wie heute. Selbst die großen klassischen Museen sind heute aufgefordert, sich einem Dialog mit den Zeitgenossen zu stellen. Ich habe wirklich den Erfolg der zeitgenössischen Kunst erleben und mitgestalten dürfen.
Vor drei Jahren kam die Pandemie, zuletzt der Ukrainekrieg. Sie haben mir schon 2021 gesagt, wir erleben einen Boom, den es selten gegeben hat, weil die Künstler einfach durch Corona so viel Zeit hatten, sich in ihren Ateliers ausschließlich neuen Werken zu widmen.
Von diesem unglaublichen Jahr 2021 profitieren wir enorm. Jetzt kommt das in die Ausstellungen und hat schon einen weiteren Boom ausgelöst, eine Begeisterung der Sammler. Das hat uns auch aus dieser Krise aufgefangen.
Ist der Kunstmarkt heute wieder so wie vor Corona?
Ja, es ist wie vorher. Der Mensch geht aus Ausnahmezuständen sofort wieder in seine ursprüngliche Dynamik zurück. Man nutzt die Technik heute besser, das ist Teil unseres Lebens geworden. Wir haben eigene Teams in London, in Paris und Salzburg installiert, weil wir einfach merken, dass wir online und auf Social Media einen unglaublichen Zulauf haben. Das sind Hunderttausende, die wir innerhalb kürzester Zeit mit dem, was wir anbieten, erreichen.
Sie sind im Sommer vier Wochen in Salzburg. Fliegen Ihre Kunden aus der ganzen Welt zu einer Ausstellung wie „40 Years“ ein?
Wie wir unser Kaufpublikum bedienen, das spielt sich in der Regel vor den Ausstellungen ab. Meist wollen die Sammler einfach vorher schon wissen, was wir anbieten. Die klassische Form, man geht zu einer Eröffnung, sieht die Kunst und kauft sie, das ist schon lange vorbei. Das hat eine völlig neue Dynamik. Durch die Größe, die wir jetzt international abdecken, ist Salzburg, wenn ich ehrlich bin, nicht mehr so bedeutend. Wir nützen Salzburg mehr für die Künstler, die kommen im Sommer gerne, Sammler auch, aber weniger.
Viele Künstler wohnen im Sommer bei Ihnen in der Villa Emslieb, Lang Lang ist Stammgast.
Ja, natürlich, ich habe aber nur sechs Gästezimmer.
Wie viele Aufführungen sehen Sie im Sommer?
Ich sehe natürlich alle Opern und die neuen Theaterinszenierungen. Wahrscheinlich komme ich auf 20 Abende.
Was sollte man diesen Sommer in Salzburg nicht versäumen?
Eindeutig den neuen „Figaro“ von Martin Kušej. Das wird mein Highlight.
Bedeutende bildende Künstler hat Salzburg nicht wirklich hervorgebracht?
Nicht so sehr. Es gibt den Markus Schinwald, den wir vertreten, aber die Künstler haben ihren Erfolg oft außerhalb Salzburgs erfahren. Salzburg lebt davon, dass die Künstler für wenige Wochen herkommen, hier alles erarbeiten, Grandioses leisten, wirklich Erstklassiges auf die Bühne bringen und dann auch wieder gehen. Davon profitiert die Stadt enorm. Das ergibt natürlich auch einen Spirit und eine Stimmung, aber es trägt nicht dazu bei, dass es ganzjährig eine Kulturstadt ist.
„Im September sind die Rollladen unten“ ist ein Spruch von Ihnen aus den Nullerjahren. Ist es noch immer so?
Ich fürchte. Ich bin ja inzwischen leider wirklich nur mehr selten hier. Aber ich fürchte, dass sich da nicht so viel verändert hat.
Fotos: Roland Unger für OOOM