„Jeder, der unter Schande und öffentlicher Demütigung leidet, muss eines wissen: Du kannst das überleben.“ Monica Lewinsky weiß, wovon sie spricht. Eine selbstbewusste, attraktive, mittlerweile 42 Jahre alte Frau steht da auf der TED-Bühne in Vancouver, und sie redet mit einer sympathischen Offenheit, die mit einem Mal alles zurechtrückt, was man je über sie gelesen hat: „Im Alter von 22 Jahren habe ich mich in meinem Boss verliebt. Mit 24 musste ich mit den verheerenden Konsequenzen leben“, sagt sie ohne jede Verbitterung. Lewinsky war das erste Opfer von Cyber-Mobbing. Als Praktikantin die Geliebte des einst mächtigsten Mannes der Welt, US-Präsident Bill Clinton, ging jedes Detail ihrer Romanze durch die Weltpresse. „Je mehr Schande, desto mehr Clicks“, analysiert sie treffend. „Je mehr Clicks, desto mehr Werbegeld.“ Alle Augen der Zuseher sind auf sie gerichtet, deren Namen jeder kennt. Und deren blaues Kleid jeder kennt. „Dieser Blutsport“, sagt sie, und ihre Stimme klingt mit einem Mal sehr bestimmt, „muss aufhören.“
Das macht die Faszination von TED-Konferenzen aus:
Persönlichkeiten live auf der Bühne zu erleben, unendlich nahe, enorm emotional, die alles, was sie mitteilen wollen, auf 18 Minuten reduzieren müssen. Monica Lewinsky schildert, was ihr widerfahren ist – in der Hoffnung, andere davor bewahren zu können und gegen Internet-Lynch-Justiz zu mobilisieren. Es funktioniert, nicht nur im bis auf den letzten Platz vollen TED-Saal, sondern auch über 6,4 Millionen Mal im Internet, denn so viele sahen das, was sie zu sagen hatte, online.
Dass seine Idee einmal Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt begeistern wird, das hätte sich Richard Saul Wurman, 80, ein Architekt aus Philadelphia, wohl nicht gedacht, als er 1984 die erste TED-Konferenz ins Leben rief. TED steht für Technologie, Entertainment und Design und war ursprünglich eine Innovationskonferenz. Wurman wollte Technologie-Entwickler mit Designern und Pionieren zusammenbringen. Die erste Veranstaltung war allerdings ein finanzieller Misserfolg. So dauerte es sechs Jahre, bis 1990 die zweite TED Konferenz stattfand – ab dann war der Erfolg des Formats nicht mehr zu stoppen.
2002 verkaufte Wurman TED an den Medienunternehmer Chris Anderson, 58. Anderson wurde in Pakistan geboren und wuchs in Indien und Afghanistan auf. Er studierte an der Woodstock School im Himalaya, bevor seine Familie nach Bath, England, zog. Er begann eine Karriere im Journalismus und schrieb für zwei der ersten Computerzeitschriften, „Personal Computer Games“ und „Zzap!64“. 1985 gründete er Future Publishing und später in den USA Imagine Media. Als er beide Companies verschmolz, verlegte der neue Medienriese über 150 Magazine und Websites und hatte über 2.000 Mitarbeiter. Anderson verfügte also über das nötige Kapital, um mit seiner gemeinnützigen Stiftung, der Sapling Foundation, die Rechte an der TED-Konferenz von Gründer Wurman zu erwerben.
Mit sicherem Geschick und dem Gespür für Erfolg machte Anderson daraus einen Welterfolg. Was das Weltwirtschaftsforum in Davos für Europa ist, ist die TED-Konferenz, die nächstes Jahr in Vancouver, Kanada, stattfindet, für Nordamerika. Kein Vordenker, kein Opinion-Leader, der hier noch nicht gesprochen hat: von Bill Clinton bis James Cameron, von Jamie Oliver bis Sting. Das Motto: „Ideas Worth Spreading“ (Ideen, die es wert sind, verbreitet zu werden). Die Videos der Konferenzen wurden weltweit über 3,2 Milliarden Mal abgerufen und in bis zu 26 Sprachen mit Untertiteln übersetzt.