Princeton ist ein malerisches Städtchen, wie es Tausende in den USA gibt. Knapp 30.000 Einwohner, eine verschlafene Bahnstation, viel Grün, ausufernde Wälder. 1783 war es sechs Monate lang Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Das ist lange her. „Superman“ Christopher Reeve ist hier aufgewachsen, der österreichisch-amerikanische Mathematiker und Logiker Kurt Gödel liegt hier begraben.
Einsteins Uni. Trotzdem ist Princeton weltbekannt. Denn zusammen mit Harvard und Yale gehört die Princeton University zu den angesehensten und mit einem Stiftungsvermögen von 24,8 Milliarden US-Dollar reichsten Universitäten der Welt. 42 Nobelpreisträger brachte sie hervor, darunter 18 alleine im Bereich Physik. Albert Einstein lehrte hier und veränderte mit seinen Theorien die Welt. Der Computerwissenschaftler und Mathematiker Alan Turing, der den Code der Nazi-Verschlüsselungsmaschine Enigma knackte und die Grundlage für künstliche Intelligenz legte, studierte in Princeton, aber auch Amazon-Gründer Jeff Bezos, Ex-Hewlett Packard-CEO Meg Whitman und Google-CEO Eric Schmidt sind Princeton-Absolventen.
Die erste Frau im Amt. Und noch eine Besonderheit hat Princeton: Mit der Molekularbiologin Shirley M. Tilghman hatte die Elite-Universität 13 Jahre lang die erste weibliche Präsidentin, bis sie 2013 auf eigenen Wunsch zurücktrat, um sich wieder intensiv der Forschung widmen zu können.
Im Icahn Laboratory an der Washington Road am Südcampus der Universität, ein 2002 errichtetes, futuristisch anmutendes Gebäude mit 31 13 Meter hohen Aluminiumblenden, die sich je nach Sonneneinfall bewegen und so für die ideale Lichtdurchflutung sorgen, befindet sich Tilghmans Büro. Den Weg hinter dem Haus, Tilghman Way, hat man nach ihr benannt. Im Atrium hat Architekt Rafael Viñoly eine gigantische Frank-Gehry-Skulptur platziert, in die ein funktionaler Besprechungsraum integriert wurde. Tilghmans Eckbüro liegt im ersten Stock. In ihrem Metier war Tilghman immer schon eine Koryphäe. Sie ist Gründungsdirektorin des Lewis-Sigler Institute for Integrative Genomics. Die disziplinübergreifende Verbindung zwischen der Molekularbiologie, Chemie, Physik und Computerwissenschaften war ihr von Anfang an ein Anliegen.
Sie waren die erste weibliche Präsidentin der Universität. Wie schwierig war es, als Frau eine so renommierte Universität zu übernehmen und zu leiten?
Es war nicht schwierig. Es waren vielleicht sechs Monate, in denen einige ältere ehemalige Studenten darüber diskutierten, wie schnell der Wandel in Princeton Einzug hielt. Wenn Sie sich erinnern, so war Princeton bis 1970 nur männlichen Studenten vorbehalten, Frauen waren damals vom Studium ausgeschlossen. Aber danach war das kein Thema mehr, und ich wurde die 19. Präsidentin der Princeton University.
Ist es nach wie vor schwer, sich als Frau in der Wissenschaft zu behaupten?
Als ich in den frühen 1970er-Jahren begann, gab es nur ganz wenige Wissenschaftlerinnen. Wir fühlten uns damals als Pioniere, und wir waren Pioniere. Dieser Pioniergeist war ein Vorteil, er half uns, die versteckte und auch offensichtliche Diskriminierung, die uns begegnete, zu überwinden. Seit damals gab es gewaltige Fortschritte. Alle Statistiken belegen, dass Frauen heute in der Wissenschaft viel stärker vertreten sind. Aber dieser Fortschritt stockt mittlerweile. Und die spannende Frage ist: Warum? Nach einigen Jahrzehnten einer größeren Beteiligung von Frauen sahen wir zuletzt nur wenig Bewegung.
Was waren Ihre wichtigsten Ziele als Präsidentin?
Mein wichtigstes Ziel an meinem ersten Tag war meinen Job zu lernen. Was ich auf jeden Fall wollte, ist unsere Rolle im Bereich der Neurowissenschaften zu vergrößern. Ich selbst bin keine Neurowissenschaftlerin, aber ich war absolut davon überzeugt, dass sie die Rolle einnehmen werden, die Biologie und Physik im 20. Jahrhundert hatten. Und wenn wir in diesem Bereich nicht große Anstrengungen unternehmen würden, so hätten wir nicht jene Führungsrolle als wissenschaftliche Institution, die wir immer beansprucht haben. Alles andere war das Resultat von zuhören, reden und lernen.
Sie haben als Präsidentin vieles verändert. So haben Sie Princeton in das digitale Zeitalter geführt. Gab es aus Ihrer Sicht auch Misserfolge?
Was mir nicht gelang, war, die Qualität des Lebens für Studenten vor dem ersten Studienabschluss, also Undergraduates, zu verbessern. Wir haben ein sehr eigenartiges System des Lebens und Speisens in Princeton, speziell für Männer der Oberschicht. Es bediente einen Teil der Studenten sehr gut, während es einen anderen Teil hinter sich ließ. Was ich lernen musste, war: Was am schwierigsten zu verändern ist, ist die Kultur. Ich war nicht erfolgreich dabei, eine Veränderung herbeizuführen, wie Studenten miteinander umgehen, speziell Erstsemester und Abschlussklassen.
Sind da solche Gräben?
Einer der faszinierenden Aspekte in der Geschichte Princetons ist, dass im späten 19. Jahrhundert die Universität aufhörte seine Studenten zu verköstigen. Sie begannen in so genannten Eating-Clubs zu essen. Diese werden privat betrieben, nicht von der Universität, und die Hälfte von ihnen sind sehr selektiv. Um Mitglied eines Clubs zu werden, müssen Sie durch einen Prozess gehen, den man Bicker nennt. Und dieser Prozess kann sehr brutal sein für jene, die ihn durchlaufen und nicht erfolgreich sind. Es bedeutet nämlich nicht nur, dass du kein Mitglied des Clubs werden kannst, du hast dann auch keinen Platz auf dem Campus, wo du essen kannst. Das ist ein System, das ein Relikt des 19. Jahrhunderts ist und meiner Meinung nach der Universität heute nicht mehr dient.