Ihr Museum ist ein Ort der Stille, der Entschleunigung. Fehlen uns heute solche Orte?
Ja, auch deshalb habe ich dieses Museum gebaut. Ich wollte dem Ski-Hype — der Kronplatz ist der meistbefahrene Skiberg Südtirols — etwas entgegensetzen. Da draußen ist es im Winter laut und hektisch, da geht es zur Sache. Die jungen Leute trinken Schnaps und fahren den Berg hinunter. Das hier ist das Gegenteil, ein Ort der Ruhe, des Innehaltens. Er liegt mehr oder weniger unter der Erde. Es ist entschleunigt hier. Es ist still. Ich wünsche mir, dass man dieses Konzept architektonisch kopiert. Niemand kann verlangen, Seilbahnstationen abzureißen und neu zu bauen. Was man aber neu errichten muss, sollte künftig in den Berg hineingebaut werden. Damit sind unsere Berge endlich wieder frei.
Ist der Berg als Ort der Stille in der Natur immer mehr verdrängt worden?
Ja, weil wir neue Methoden gefunden haben. Bis in die 1930er Jahre war das Skifahren Teil des Bergsteigens, Teil des Alpinismus. Man ist entschleunigt zu Fuß raufgegangen und auf den Brettern wieder runtergerutscht. Erst als die Touristiker darauf gekommen sind, wie man Pisten präpariert und sicher macht, ist daraus ein Millionengeschäft geworden. Der Berg war ein Stück Wildnis auf unserer Erde mit Gefahren. Es ist niemals darum gegangen, dass man schnell heraufkommt, sondern lebendig wieder runter.
Wo liegt Ihr persönlicher Ort der Entschleunigung, der Inspiration?
Ich habe auf Schloss Bruneck ein Museum. Zwei oder drei Jahre nach der Eröffnung haben wir darin einen Raum der Entschleunigung gemacht. Da geht man tief hinunter und dort gibt es entsprechende Musik. Man kann meditieren und sich besinnen. Auch auf Burg Juval gibt es so einen Raum, wo man meditieren kann. Ich selbst meditiere nicht. Wenn ich hier durch die Gegend gehe, ist das wie Meditation. Es gibt einen Weg hier vom Kronplatz bis ins Dolomiten-Museum, der ist so phantastisch, da kann man durchgehen und sieht in einer Woche vielleicht drei Menschen.
Sie halten viele Vorträge vor Managern. Würden Sie Entscheidungsträgern raten, sich mehr Zeit für sich zu nehmen? Kann man richtige Entscheidungen noch treffen, wenn man ständig gehetzt ist?
Wenn man sich leisten kann eine Auszeit zu nehmen, so ist das gut. Aber die meisten können es nicht. Die sind so extrem gefordert und müssen so viele Entscheidungen treffen, da gibt es keine Chance auf Auszeit. Ein großes Unternehmen mit 50.000 Mitarbeitern hat natürlich einen Führungsstab. Wenn der CEO aber ein paar Mal nicht dabei ist, verliert er schnell seine Position. Ich habe vor Menschen großen Respekt, die sich das antun. Wenn man dann sieht, was VW passiert ist, erkennt man, wohin Druck führt.
In den Betrug?
Ja. Sie haben dem Druck nachgegeben. Das wundert mich. Die riskieren ja auch viel mehr als „nur“ das Unternehmen.
In Ihrem neuen Vortrag, der „Überleben“ heißt, sagen Sie, wie überlebenswichtig Angst, Egoismus und Instinkt sind. Sind Sie ein Egoist?
Ja, und der Einzige, der es zugibt — von sieben Milliarden Menschen.
Kann man nur als Egoist extreme Dinge schaffen?
Wir Menschen haben eine innere Gesetzmäßigkeit. Ich sage nicht von wem, aber sie ist in uns hineingelegt worden. Es ist genetisch festgeschrieben. Wir sind nur auf kleine Clans angelegt. Wir haben keine innere Gesetzmäßigkeit, um in einer großen Nation zu leben. Die Nation ist ein Konstrukt, das erfunden worden ist und nicht gutgehen kann. Auch Religionen sind von Menschen gemacht. Es sind Machtmittel, um Menschen zu delegieren. Wir sind ebenso Egoisten wie Altruisten. Im kleinen Kreis sind wir sehr starke Altruisten. Wenn das aber über Österreich hinausgeht, dann wird es schwierig. Dann kann ich nur mit Nationalgefühlen die Menschen einigermaßen bei der Stange halten. Wenn es um die Weltbevölkerung geht, brauchen wir nur Herrn Strache zuzuhören, der die Wahl in Wien gewinnen wollte. Wenn er Bürgermeister von Wien geworden wäre, hätte er Chancen gehabt, auch Kanzler zu werden. Das heißt, es gibt viele Österreicher, die sagen: Österreich zuerst. Das ist auch nachempfindbar. Ich bin der Meinung, dass wir den Menschen aus Syrien helfen müssen. Die sind verzweifelt und dem Bürgerkrieg ausgeliefert. Aber ein anderer Ausländer, der in Österreich Arbeit gefunden hat, hat keine Freude damit, weil er Angst um seinen Arbeitsplatz hat.
Sagen Sie das als Reinhold Messner, der ehemalige Politiker? Oder Reinhold Messner, der Mensch?
Ich schau mir das natürlich auch politisch an. Die EU wird nicht daran zerbrechen, aber die EU hat gerade eine Phase, die sie noch nie hatte. Eine schwierige Phase.
Würde Sie es reizen, wieder aktiv in die Politik einzusteigen?
Nein, das ist abgehakt. Ich habe das fünf Jahre lang getan, weil ich gefragt worden bin. Ich bin keiner Partei beigetreten, ich bin kein Parteimensch. Ich habe mich immer nur um die EU gekümmert. Als Südtiroler haben wir nur diesen Weg. Wir standen lange Zeit zwischen den Stühlen. Wenn wir am Ende Europäer sind, brauchen wir keinen österreichischen Pass. Wenn ich Südtiroler bin, brauche ich nur einen Pass. Ich bin kein Italiener, kein Deutscher, kein Österreicher.
Das von Zaha Hadid gestaltete Messner Mountain Museum Corones ist das sechste seiner Art. Wollten Sie sich damit ein Denkmal setzen?
Als meine Kinder in die Schule gingen, stand die Burg Juval, auf der wir wohnten, zehn Monate leer. Ich wollte sehen, wie es geht, wenn man sie in dieser Zeit als Museum nutzt. Ich hatte eine Bilder- und andere Sammlungen, die ich dort zeigte. Das funktionierte gut und ich fasste den Entschluss: Ich möchte gerne ein richtiges Museum machen und alles über die Berge erzählen, was ich weiß. Nicht über mich, das wäre lächerlich, aber einfach über die Berge und das Verhältnis Mensch zu den Bergen. Dann habe ich mich um Burg Sigmundskron bemüht, es gab aber einen fünf Jahre langen Streit: einige waren dafür, andere waren dagegen, die Medien schaukelten das hoch. Nur hatte ich inzwischen so viel Geld in das Ganze investiert, dass ich mir dachte: Wenn das dort nicht gelingt, dann mache ich eben mehrere kleine Häuser als Museen und zerlege die Museumsidee in mehrere Themen. So sind die sechs Messner Mountain Museen entstanden.
Wir sind nur auf kleine Clans angelegt. Nationen sind ein Konstrukt, das nicht gutgehen kann.
Die Aufteilung war also geplant?
Ja, zu Beginn wollte ich fünf Museen machen. Doch dann wurde mir noch der Kronplatz angeboten. Man wollte hier eigentlich eine Aussichtsplattform mit Turm bauen. Das macht man heute ja überall. Dann habe ich ihnen im Rahmen dieser Ausschreibung für die Aussichtsplattform, die Zaha Hadid gewonnen und von der man den ganzen verbauten Müll rundherum gesehen hätte, dringend geraten, es nicht zu tun. Ich empfahl: Wenn, dann geht unter die Erde und macht ein Museum mit Aussichtsfenstern. Sie waren einverstanden, vorausgesetzt, dass ich es fülle und betreibe. Es ist das einzige Museum zwischen München und Verona, das freiwirtschaftlich ohne Subventionen funktioniert.