Wo Gott wohnt.
Die Branche war damals nicht anders als heute: „Alles war Politik – auch in der Musikindustrie. Ich lernte, wie ich Manager oder Künstler zu manipulieren hatte, damit ich eine Situation für meinen Vorteil nutzen konnte. Auch wie ich Menschen dazu brachte, sich für das, was ich designen wollte, zu interessieren. Und ich lernte viel über hierarchische Strukturen: wen ich beeinflussen musste, damit er zustimmt. Das ist heute nicht anders. Du musst wissen, wo Gott wohnt, denn er entscheidet über deine Arbeit.“ Scher prägte das visuelle Verständnis von Millionen Musikfans, sie verpasste Künstlern und Musikern ein Image, von dem sie jahre- bis jahrzehntelang profitieren sollten. Vier Grammy-Nominierungen sollte sie für ihre bahnbrechenden grafischen Umsetzungen bekommen.
1982 verließ Paula Scher CBS und machte sich selbstständig, arbeitete eine Zeit lang mit Designer Terry Koppel zusammen und wechselte nach dessen Umstieg zu „Esquire“ zur Designschmiede Pentagram in New York, deren Partner sie bis heute ist.
1994 bekam sie den Auftrag, ein neues Image für das Public-Theater-Programm in New York zu entwickeln. Ihre Bildsprache dafür war so revolutionär (siehe Plakat auf Seite 21), dass es die Art und Weise, wie sich heute Theater und künstlerische Institutionen weltweit präsentieren, völlig veränderte. Sie kombinierte die Darstellung von Straßenkünstlern mit Graffitis und verwendete grelle Farben, wie man sie im seriösen Kunstbetrieb nicht kannte.
MoMA reloaded.
Wenig später holte das Museum of Modern Art in New York, eine der wichtigsten Kunstinstitutionen der Welt, Paula Scher, um sich neu darzustellen. Auch der Metropolitan Opera in New York, den Philharmonikern und dem New York City Ballet verpasste Scher ein neues Logo und Image, ebenso Tiffany & Co. Das Logo für die Citi Bank, einer der größten Banken der Welt, entwarf sie während des ersten Meetings auf einer Serviette: „90 Prozent der Ideen entstehen bei mir schon im ersten Gespräch. Wenn mir jemand ein Projekt erklärt, und was er von uns braucht, entwickle ich gedanklich bereits das Konzept, wie wir es umsetzen. Ich stelle dann meistens extrem viele Fragen und verlasse das Meeting mit einer klaren Idee. Das Problem ist: Eine Präsentation sollte meist drei bis fünf Lösungsansätze haben, weil das die Kunden so wünschen, doch für mich gibt es nur diese eine Lösung, die ich von Anfang an im Kopf habe. Es bringt mich fast um, drei weitere Ideen entwickeln zu müssen, nur weil der Kunde es will. Die kreative Idee ist meist extrem schnell da. Was wirklich viel Zeit kostet, ist immer die Überzeugungsarbeit. “