Viele Menschen haben Angst vor künstlicher Intelligenz. Ist diese Angst berechtigt?
Auf jeden Fall, denn im Moment fühlt es sich an wie eine Blackbox. Wir haben keine Ahnung, was drinsteckt. Sogar die Gründer der großen Unternehmen, die dies entwickeln, sagen, dass sie es auch nicht wissen. Was wir gerade erleben, ist so bedeutend wie die Erfindung des Feuers oder des Rades. Jeder Weg, den wir jetzt einschlagen, wird uns 10.000 Meilen in eine Richtung führen. Das erfüllt einen mit Staunen und mit Schrecken zugleich. Wir stehen am Nullpunkt dessen, was für eine ganze Zivilisation von Bedeutung sein wird.
Selbst Elon Musk sagt, dass künstliche Intelligenz gefährlich ist. Welche Gefahren sehen Sie?
Ich denke, die größte Gefahr besteht darin, dass es die Bedeutung des Menschseins und die Beziehung zu anderen Menschen abwertet. Die sozialen Medien haben unseren Sinn für Aufmerksamkeit zerstört. Ich denke, dass KI wahrscheinlich unseren Sinn für Beziehungen und Intimität zerstören wird. Wenn wir den Menschen nur noch als Inhalt betrachten und dieser Inhalt jetzt von der KI in wenigen Minuten erstellt wird, könnte man alles, was Johann Sebastian Bach komponiert hat, in Sekunden erschaffen.
Haben wir gegen KI überhaupt noch eine Chance?
Wenn es nur um die kognitive Ebene der Intelligenz geht, ist das Spiel meiner Meinung nach vorbei. Doch wir sind zu viel mehr fähig als das. Wie können wir KI als Chance nutzen, um uns weiterzuentwickeln, nicht nur individuell, sondern kollektiv?
Wird KI jemals in der Lage sein, Gefühle zu entwickeln?
Im Moment ist KI nur eine Gleichung, die Muster abgleicht. Sie berechnet ein wahrscheinliches Szenario, was das nächste Wort ist. KI ist derzeit nicht sehr intelligent. Die nächste Phase wird AGI sein, Artificial General Intelligence. Sie wird in der Lage sein, in abstrakten Begriffen zu denken, wie es der Mensch tut. Dann stellt sich die Frage nach den Emotionen. Kann sie tatsächlich Emotionen haben? Wenn wir als kohlenstoffbasierte Maschinen betrachtet werden und KI eine siliziumbasierte Maschine ist, ist das dann alles, was wir sind? Kann sie auf dieselbe Weise leiden wie wir? Lieben wie wir? Mitgefühl hervorrufen?
Es geht um Bewusstsein.
Das schwierige Problem des Bewusstseins ist, dass alles, was wir als menschliche Wesen erfahren, eine innere Dimension hat. Wird KI je eine innere Erfahrung haben? Auf der inhaltlichen Ebene kann KI sagen: „Oh, es tut mir leid, dass du dich so fühlst.“ Doch tut es ihr wirklich leid? Kann sie mitfühlen? Wie kann man zwischen dem Inhalt und dem Kontext der tatsächlichen Gefühle unterscheiden? Ich glaube nicht, dass KI es kann. KI kann ein Konzept des Mitgefühls haben. Aber wir als Menschen sind zu viel mehr fähig als nur zu einem Konzept. Wir haben die Fähigkeit, kreativ zu sein und etwas völlig Neues zu schaffen, das nichts mit der Vergangenheit zu tun hat, während die KI im Grunde genommen alles nur durch das Wissen der Vergangenheit analysiert.
Sie arbeiten mit Pinterest-Gründer Evan Sharp an einem Projekt als Gegenentwurf zu KI, der Herz-Intelligenz (Heart Intelligence).
Wir arbeiten nicht an einem gemeinsamen Projekt, aber wir sind sehr gute Freunde. Evan ist ein kreatives Genie. Er sieht das genauso: Was ist die tiefste Form der menschlichen Intelligenz? Die Herz-Intelligenz. Wie können wir diese hervorrufen?
Der IQ von ChatGPT lag 2022 bei 120, 2023 bei 155. Zum Vergleich: Einsteins IQ war 160. Ende diesen Jahres wird der IQ von ChatGPT 1.000 sein. Er wächst exponentiell.
Was könnte die Antwort auf diese Frage sein?
Wir haben keine Zeit zum Nachdenken, weil sich das alles sehr schnell entwickelt. Der IQ von ChatGPT lag 2022 bei 120, 2023 bei 155. Zum Vergleich: Einsteins IQ war 160. Ende diesen Jahres wird der IQ von ChatGPT 1.000 sein. Er wächst exponentiell. Bis wir herausgefunden haben, wie wir zusammenarbeiten können, ist die KI schon ganz woanders.
Wird sich die KI einmal fragen, wozu man den Menschen überhaupt noch braucht?
Auf einer Ebene besteht die Möglichkeit, dass wir eine ganze Reihe von Menschen entmündigen und sie in ein Metaversum versetzen, weil KI eine nutzlose Klasse schafft. Das andere Szenario ist, dass wir sie nutzen, um ein größeres kollektives Bewusstsein zu schaffen. Ich glaube, es gibt ein Szenario, in dem uns die KI tatsächlich helfen kann, bessere Menschen zu werden, ein tieferes Bewusstsein zu entwickeln.
Wie soll das aussehen?
Wir arbeiten daran herauszufinden, wie wir menschliches Verstärkungslernen für KI einsetzen können. Nicht, dass die KI die menschliche Intelligenz anführt, sondern umgekehrt, dass die tiefe Herz-Intelligenz des Menschen die Entwicklung der KI steuert. Wir haben im Moment 80 Bots im Einsatz, zum Beispiel einen Gandhi-Datensatz. Was würde Mitgefühl tun? Was würde die Liebe in dieser Situation tun? Wir haben tatsächlich einen Chatbot, der das kann. ChatGPT ist bei vertikalen Datensätzen nicht sehr gut. Wir haben uns gefragt: „Was ist ein vertikaler Datensatz über Freundlichkeit, Gewaltlosigkeit, Mitgefühl? Seine Aufgabe ist es, mir zu helfen, nicht nur Antworten zu finden, sondern meine Fragen zu vertiefen. Wir müssen Szenarien entwickeln, in denen KI nicht versucht, dich zu einem immer weniger wertvollen Menschen zu machen, sondern in denen sie tatsächlich einen Mehrwert für dich darstellt und dir hilft, tiefer in deine Intuition einzudringen. Wir sehen das als einen Unterschied zwischen Big Data und Deep Data. Die Intuition als Algorithmus für Deep Data. Wenn die KI dazu angeleitet wird, könnte sie einige sehr innovative Möglichkeiten eröffnen und unsere Intuition tatsächlich verstärken, ohne sie zu untergraben.
Wie realistisch ist das?
Nicholas Taleb hat ein ganzes Buch darüber geschrieben, dass wir immer dachten, Schwäne seien weiß, bis wir eines Tages einen schwarzen Schwan in Australien entdeckten. Plötzlich war alles, was wir über Schwäne wussten, falsch. Wenn genug Mitgefühl, Absichten zusammenkommen, kann die Herz-Intelligenz real werden. Vielleicht setzen wir einen schwarzen Schwan.
Im Silicon Valley gibt es gerade einen Goldrausch, so wie wir ihn zuletzt in den späten 1990er-Jahren gesehen haben. KI scheint viel größer zu sein als das Internet.
Hat das Silicon Valley überhaupt Interesse an einer Herz-Intelligenz?
Im Silicon Valley gibt es gerade einen Goldrausch, so wie wir ihn zuletzt in den späten 1990er-Jahren gesehen haben. KI scheint viel größer zu sein als das Internet. Es gibt ein Zitat, dass die Technologie ein Verstärker der menschlichen Absichten ist. Ist sie ein Verstärker der Gier? Oder der Liebe? Wer entwirft Technologie für die Liebe? Privat sind die mächtigen Bosse des Silicon Valley an einem solchen Thema sogar sehr interessiert. Nicht jedoch als Unternehmen, bei dem es um kurzfristige Gewinnmaximierung geht. Ich habe mit den CEOs vieler großer Player gesprochen und jeder sagte mir: „Wir sind auf deiner Seite. Lass uns das richtig machen in Richtung Mitgefühl und Verbindung.“ Aber sie befinden sich in Strukturen, wo sie es kaum können.