So gesehen waren Ihre Arbeiten wie eine Vorbereitung auf die Corona-Krise, die ja auch wie ein Reinigungsprozess für die Welt gesehen werden kann.
Der Schlaf, die Stille und die Pause sind ja nicht Momente in denen nichts passiert, sondern in denen extrem viel passiert. Im Schlaf wird alles gefiltert und verarbeitet, was man unter Tags erlebt. Das was man braucht, rutscht ins Bewusstsein, der Rest geht direkt ins Unbewusstsein. Auch in unserer Zeit, in der alles so optimiert ist, in der man jede Sekunde nützt, müssen wir Menschen trotzdem immer noch schlafen, egal wie erfolgreich und reich oder wie arm wir sind. Im Schlaf können wir nicht posieren, im Schlaf ist jeder genauso wie er ist. Ich liebe die Reinheit des Moments.
Auf der Art Fair „Parallel Vienna“ stellten Sie „All I can offer is silence“ vor. Welche Rolle spielt Stille für Sie?
Pausen und Stille sind extrem wichtig. Wenn man sich zum Beispiel die Pausen eines Musikstücks ansieht, das sind keine leeren, sondern das sind extrem spannende Momente. Die Zeit, in der man nichts tut, da passiert am allermeisten. Es wäre sehr schön gewesen, wenn durch die Corona-Krise die Welt zur Ruhe gekommen wäre. Es kommt mir aber vor, als wäre das nicht passiert. Mich hat es beunruhigt, weil es keine leise Stille war, sondern eine laute Stille, mit wahnsinnig vielen Gedanken im Kopf.
Hat dieser Zwang herunterzufahren, das System auf Pause zu schicken, nicht etwas mit uns getan?
Doch klar, ich merke schon, dass sich viel verändert hat. Ich lasse zum Beispiel unwichtige Dinge nicht mehr so schnell in mein Leben. Am Anfang der Krise habe ich irrsinnig viel telefoniert, weil ich mit allen über das Thema reden wollte, dann ist es weniger geworden und ich habe begonnen, mich mit mir selbst zu beschäftigen. Man war nicht mehr im Außen, sondern im Innen. Corona war ein Schritt in Richtung Wahrheit. No time for bullshit anymore – in Freundschaften, in Beziehungen, in der Arbeit und im Konsumverhalten. Man hat erkannt, dass man vieles nicht braucht, was man davor geglaubt hat, unbedingt zu brauchen.
Ich lasse unwichtige Dinge nicht mehr in mein Leben. Corona war ein Schritt in Richtung Wahrheit.
Sie waren jahrelang als Model international sehr erfolgreich: eine Welt komplett im Außen. Haben Sie sich nicht zerrissen gefühlt zwischen dem, was Ihnen wirklich wichtig ist und dem, was Sie in dieser Zeit gelebt haben?
Es ist eigenartig: Wenn ich Fotos von damals von mir sehe, schaue ich sie mir meistens kaum an, weil ich das Gefühl habe, dass die Frau auf dem Bild nicht wirklich ich bin. Mir ist es wichtig, dass das Foto gut wird. Wenn der Fotograf meint, man muss auf dem Kopf stehen, dann mache ich das auch. Ich verstehe, dass das Bild cool werden soll, aber ich identifiziere mich nicht damit. Es kümmert mich nicht, welches Makeup ich trage und ich schaue mich vor dem Shooting nicht in den Spiegel. Ich habe zu dem „Modelbild“ von mir eine große Distanz.
Gab es einen auslösenden Moment mit dem Modeln aufzuhören?
Als in New York war, wurde mein Großvater, mit dem ich sehr eng war, krank. Dieses Gefühl so weit weg zu sein, wenn in der Familie etwas passiert, war für mich extrem schlimm. Eine Weile habe ich noch mit dem Modeln weitergemacht, aber eines Tages konnte ich nicht mehr in den Flieger nach New York steigen. Ich habe gespürt ich will nicht mehr, es geht nicht mehr, ich mag nicht mehr. Ich bin also nicht geflogen, bin dafür zurück auf die Uni und habe fertig studiert. Ich habe nicht einmal mehr meine Sachen aus New York geholt, ich habe es nie bereut.
Spüren Sie in solchen Momenten, was richtig ist?
Ja, wenn ich im Lot bin, dann spüre ich das. Ich finde es schwer, die eigene Stimme zu hören, wenn viele mitreden, aber jetzt im Rückblick merke ich, dass die Entscheidungen, die ich getroffen habe, immer richtig waren.
Sie haben einen Jungen adoptiert, der eine andere Hautfarbe hat. Wie sind Sie als Familie mit der „Black life matters“-Thematik umgegangen?
Das Thema Hautfarbe ist sehr komplex. Es berührt mich unendlich, dass mein Sohn das Leben ganz anders erfährt als ich. Wenn man sich mit Rassismus beschäftigt, dann wird einem klar, dass Rassismus mit Tag Null beginnt. Immer anders behandelt werden, immer anders angesehen werden, das ist einfach sein Leben und sein Alltag und ich finde das wahnsinnig schlimm. Ich kann dieses Gefühl nur mitfühlen, aber ich erlebe es natürlich nicht. Für mich wird es immer nur eine „Second-Hand“-Erfahrung bleiben.
Michaela Schwarz-Weismann lebt mit ihrem Mann, dem Mode-Fotografen Jork Weismann, und Sohn Lapo (7) in Wien.
Fotos: Jork Weismann