Sie sind bekannt dafür, unkonventionell an Themen heranzugehen. Was zeichnet einen innovativen Unternehmer aus?
Der Sinn für das Unmögliche. Du kannst und sollst dein Lehrbuchwissen im Kopf haben, musst dich aber im entscheidenden Moment trauen, es über Bord zu werfen. Die Intuition ist der wesentliche Schlüssel dabei.
Muss man im Berufsleben manchmal verrück sein?
Ich denke schon. Das Thema bei „crazy people“ ist: Sie haben in der Regel erst mal das schlechtere Argument, denn es ist nicht rational.
Die Verrückten, „the crazy ones“, sind jene, die die Welt verändern, wie wir seit Steve Jobs wissen.
Das ist der Punkt. Es sind solche „Verrücktheiten“, die die Menschheit voranbringen.
Sie sind im Vorstand des Salzburg Global Seminar.
Der damalige amerikanische Botschafter in Wien, William Eacho, hat irgendwann einmal zu mir gesagt: „Max, ich bin da dabei, das könnte dich interessieren.“ Ich kam dann rund um eine Vorstandssitzung nach Salzburg und ab dem Moment war mir klar: Da bleibe ich. Die verändern wirklich etwas. Ende 2014 zog ich in den Vorstand ein.
Wie ist Ihre Rolle dabei?
Einen Beitrag zu leisten, um Salzburg Global weiterzuentwickeln, mit Rat zur Seite zu stehen, zu unterstützen, damit es sich finanziert und sich darum zu kümmern, dass die Grundidee „We challenge current and future leaders to shape a better world“ weitergetragen wird. Salzburg Global ist eine hochkarätige Bildungs- und Denkwerkstatt, ein Wertekanon, in dem man über das eigene Gesichtsfeld denkt. Ich glaube ja an den Genius Loci. Und hier bekommen Gedanken Leben. Seit 1947. Da kamen nach dem Zweiten Weltkrieg diese drei Harvard-Studenten, einer davon war Clemens Heller, und starteten das Salzburg Seminar für Völkerverständigung und Toleranz mit vielen jungen, ganz unterschiedlichen Leuten – zu e iner Zeit, als das Gegenüber ja eigentlich das Böse war. Mit diesen drei hat diese unglaubliche Geschichte begonnen, nachdem die Witwe von Max Reinhardt ihnen Schloss Leopoldskron zur Verfügung gestellt hatte. Das hat mich echt erwischt. Denn, wenn man hier sitzt, merkt man, dass alles mit Max Reinhardt begann. Er war auch einer dieser „crazy ones“, hat das hier aufgebaut und alles, was er hatte, inklusive sich selbst eingebracht. Diesen Geist spürt man bis heute. Man geht ins Arbeitszimmer von Max Reinhardt, setzt sich hin, wo er saß, und denkt: „Wer hat auf diesem Platz wohl aller vor mir gesessen?“
Clemens Hellers Vater Hugo war ja der erste Verleger von Sigmund Freud.
Es gibt eine wunderschöne Geschichte zu Clemens Heller, die für mich ein Mind Opener war. Heller ist nach Amerika zurückgekehrt und ein US-Soldat fragte ihn bei der Einreise: „Are you for democracy?“ Er antwortete: „What do you mean by democracy?“ Und der GI notierte: „Doesn‘t even know what democracy is.“ Was die drei Harvard-Studenten gemacht haben, war ehrlich gesagt verrückt.
Sie leiten höchst erfolgreich die DERAG Livinghotels, mit 18 Häusern sind Sie einer der größten Apartmentanbieter in Deutschland und Österreich. Ihre Familie stammt aus der Immobilienbranche, Ihr Vater baute in München das Olympische Dorf.
Wir sind ein Immobilienunternehmen, das mit seinen Immobilien etwas Spannendes anfangen will. Und ja, die Aparthotellerie gab es vor uns hierzulande so nicht. Anfangs dachte die Branche noch, das sind ja keine Hotels – und heute sind sie das Erfolgsmodell der Hotellerie.
Wie kann man in Ihrer Branche positiv verrückt sein? Bei Ihnen geht es doch knochentrocken um Renditen.
Rendite ist eine Zahl. Sie zeigt an, ob das, was man gemacht hat, wirtschaftlich funktioniert. Man kann es konservativ machen, man kann es verrückt machen. Wichtig ist bloß, dass man am Ende des Tages überlebt. Dafür braucht es auf der einen Seite Innovation, auf der anderen Seite Anschlussfähigkeit an das Bestehende.
Was zeichnet erfolgreiche Unternehmer aus?
Da halte ich es gerne mit Aristoteles. Demzufolge ist das Gegenteil von Angst die Tollkühnheit, jedoch braucht es Mut, also die goldene Mitte. Wenn du mutig bist, dann gehst du ein Risiko ein, aber du bist deshalb nicht dumm. Ich habe einige verrückte Ideen gehabt wie zum Beispiel mein aufblasbares Hotel. Das sind transportable und komplett ausgestattete Hotelzimmermodule, die sich verpacken und an beliebigen Einsatzorten aufstellen lassen. Aber ich würde niemals alles auf so ein Projekt setzen.
Wie kommt man auf so eine ungewöhnliche Idee?
Ich sah, wie ein Hüpfburgen-Hersteller auf einer Messe einen englischen Pub aus seinen Hüpfburgen gemacht hat. Jeder Ort in Deutschland ist irgendwann überbucht , z.B. während großer Messen. Dann braucht man temporär Zimmer. Die Idee hatte ein richtig schönes Disruptionspotenzial. Denn bei Immobilien wie bei Hotels sind die drei wichtigsten Faktoren immer Lage, Lage und Lage. Das ist das Gravitationsgesetz unserer Branche. Weil du investieren musst in einen Platz, von dem du glaubst, dass selbst in 50 Jahren noch die Nachfrage zum Angebot kommt. Die Patente sind da, irgendwann werde ich das realisieren.
Mauro Porcini, Chief Design Officer von PepsiCo, erklärte im letzten OOOM, dass er seinen 315.000 Mitarbeitern klarmachte: Wir reden nicht mehr über Produkte, wir reden nur noch über Menschen. Sehen Sie das genauso?
Eins zu eins. Ich habe bei mir im Unternehmen die klassischen Bewertungs-Personalbögen gestrichen. Stattdessen machen wir für alle Mitarbeiter gegenseitige Porträtgespräche. Es geht doch um Empathie. Natürlich muss ein Hotel schön sein und etwas ausstrahlen. Aber am Ende ist es die Beziehung Mensch zu Mensch, die zählt. Wenn wir von Corporate Identity reden, dann beinhaltet das Identität und Authentizität. Unsere Mitarbeiter wissen und spüren das. Ich stelle Leuten, die wir beschäftigen wollen, immer zwei Fragen: In welchem Tun hast du das Gefühl, dass du wirklich gut bist? Und: In welchem Tun hast du das Gefühl, dass es dich erfüllt?
Man merkt, dass Sie Professor für Innovationsmanagement sind.
Ich sage meinen 650 Mitarbeitern immer: Das Hotel ist die Bühne, auf der ihr agiert. Ihr seid die Hauptpersonen, das Stück – und zwar zusammen mit dem Gast. Es kommt drauf an, wie und dass du die Menschen siehst, dann setzt du sie auch so ein, dass sie mit ihren Fähigkeiten Erfolge erzielen. Man braucht den Rahmen und das richtige Team, in dem jeder den Platz hat, der ihm entspricht. Ich bin überzeugt, das passiert durch ein Mindset. Ich habe meine Doktorarbeit über „Unternehmerisches Sein zwischen Realismus und Kunst – ein philosophischer Versuch zur Unternehmensführung“ geschrieben, weil ich nie verstanden habe, wie das, was ich in Wirtschaftswissenschaften gelernt habe, zu dem passen soll, was ich als Unternehmer weiß. Der Physiker Richard Feynman hat gesagt: „Einem Physiker bringt Wissenschaftstheorie genauso viel wie Ornithologie den Vögeln.“ (lacht)
Das Wirtschaftsstudium ist also fern der Realität?
So, wie wir das im Studium lernen, so passieren Entscheidungen nicht. Sie finden genau da statt, wo die Einbildungskraft und der Verstand noch im freien Spiel sind. Das ist Kunst auf eine gewisse Art und Weise. Wie ich es meinen Studenten immer sage: Nennt mir ein einziges wesentliches Produkt, das so entstanden ist, wie ihr es gelernt habt. Es gibt keines.
Ihre Familie hat in Wien eine Immobilienfirma.
Ich habe zwei Jahre in Wien, fünf Jahre in Innsbruck gelebt. Ich überlegte früher in die akademische Richtung zu gehen. Doch dann kam ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Mein Vater hat sich gewünscht, dass auch ich in den Immobilienbereich gehe und das fortführe, was er begonnen hat. Also sagte ich Ja.
Wie war das Verhältnis zwischen Ihnen?
Wir hatten ein wahnsinnig enges Verhältnis. Es war natürlich nicht konfliktfrei, aber das ist ganz normal. Mein Vater wurde auch zum Mentor und zu einem wirklich engen Freund. Deswegen war sein Tod vor zwei Jahren für mich sehr schwer.
Ihr Vater sammelte Kunst, die nun in Ihrem Düsseldorfer De Medici-Hotel ausgestellt ist.
Stimmt. Er war leidenschaftlicher Kunstsammler. Meine Geschwister und ich haben ihm oft gesagt, eigentlich müsste er ein Museum bauen. Darauf meinte er immer, er kann aber „nur“ Hotel. So ist das De Medici entstanden, quasi das erste Kunstmuseum, in dem man auch schlafen kann und in dem ein Teil seiner Kunst ausgestellt ist. Mit diesem Background ist die Affinität zu Kunst und Kultur auch für mich sehr früh da gewesen, weil ich immer von Kunst umgeben war. Darum ist für mich auch Kultur ein Teil der Gesellschaft und das, was die Gesellschaft ausmacht.
Wie wichtig ist Intuition bei Ihren Entscheidungen?
Intuition ist etwas zu wissen, ohne das Wissen benennen zu können. Sobald man in einem Umfeld ist, wo alles bekannt ist und sich nicht viel verändert, ist die Intuition vernachlässigbar. Solange das Spielfeld nicht definiert ist, ist man ohne Intuition unfähig.
Wo holen Sie sich Ihre Inspiration?
Ich bin, was Rituale betrifft, nicht sonderlich gut. Eine Idee kann überall geschehen. Mittlerweile gerne bei mir im Homeoffice. Es ist total schön, wenn ich meine beiden kleinen Mädchen – drei und fünf Jahre alt – um mich habe. Das ist ein Privileg.
Wie entstehen neue Projekte bei Ihnen?
Ich weiß: Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum. Und: Wenn du mit Plänen im Kopf durch die Welt gehst, siehst du nichts mehr – außer deinen Plan. Das ist wie ein Pferd mit Scheuklappen.
Salzburg Global und das Mozarteum: Ihre Ziele?
Das Mozarteum möchte ich dabei unterstützen, den Zielgedanken „Die Gesellschaft braucht ihre Kunst und die Kunst ihre Gesellschaft“ weiter zu fördern – das beinhaltet übrigens auch den wirtschaftlichen Kontext. Bei Salzburg Global Seminar geht es darum, Menschen mit unterschiedlichsten Weltanschauungen und Standpunkten an einem echt einmaligen Ort zum gegenseitigen Dialog zusammenzubringen, um neue Perspektiven zu erhalten und Antworten, ja sogar Lösungen auf die Fragen unserer Zeit zu erarbeiten und diese dann in den jeweiligen Heimatländern zu manifestieren.
Fotos: Roland Unger für OOOM