Das junge, hübsche Mädchen, das am Ufer des Caloosahatchee Rivers in Cape Coral, Florida, steht, mit langen, wehenden Haaren, sieht aus wie eine typische Amerikanerin, die die einzigartige Abendstimmung erleben will, wenn die Sonne am Horizont verschwindet und den Himmel in ein dunkles Orange taucht. Gekonnt posiert sie für OOOM-Fotograf Mark Schoenfelt, lächelt, als würde sie ihr ganzes Leben nichts anderes tun. Niemand kann erahnen, dass Maleen Fischer, 27, seit ihrem dritten Lebensjahr mit einer lebensbedrohlichen Krankheit kämpft und nur von einer Pumpe am Leben erhalten wird, die sich in ihrer schwarzen Moschino-Bauchtasche befindet. Von dieser führt ein Schlauch in ihren Brustkorb, über den alle 30 Sekunden ein Prostacyclin intravenös über eine Kanüle in ihr Herz gepumpt wird.
In ihrer Bauchtasche ist eine Pumpe, von der ein Schlauch durch ihren Brustkorb direkt in ihr Herz führt, durch den alle 30 Sekunden ein Prostacyclin gepumpt wird.
Keine Heilung. Maleen Fischer leider an pulmonaler Hypertension, zu Deutsch Lungenhochdruck, einer seltenen Krankheit, für die es bis heute keine Heilung gibt. In der Lunge herrscht normalerweise ein niedriger Druck, bei Lungenhochdruck aber kommt es zu einem starken Anstieg. Die rechte Herzhälfte pumpt so ständig gegen einen Widerstand, die Herzkammer vergrößert sich, bis das Herz schließlich eines Tages versagt.
Maleen Fischer braucht das Prostacyclin zum Überleben. Es wird in der Notfallmedizin bei einem Herzstillstand verabreicht und hat die Eigenschaft, alle Gefäße im Körper schlagartig zu öffnen. Da seine Wirkung nach spätestens 60 Sekunden nachlässt, muss es alle 30 Sekunden in ihr Herz gepumpt werden. Der Schlaucht führt von der Pumpe in ihrer Bauchtasche durch eine kleine Öffnung an den Rippen in die Brust und von dort direkt in ihr Herz. Es ist ihre Verbindung zum Leben. Reißt der Schlauch ab und kann er nicht zeitnah wieder eingesetzt werden, kann das tödlich enden. Hat die Pumpe einen Defekt und kann sie nicht rasch durch eine Ersatzpumpe ausgewechselt werden, endet es ebenso höchstwahrscheinlich letal.
„Ich durfte bis zum Teenageralter keine Schule besuchen, die Gefahr von Infektionen, aber auch dass durch eine Unachtsamkeit beim Spielen der Schlauch aus meinem Körper gerissen wird, war einfach zu hoch“, erinnert sich Maleen Fischer an ihre Kindheit zurück. Deshalb zog die Familie die kalten Monate über nach Florida. Hier besuchte sie auch das College, das sie mit großem Erfolg abschloss.
Fendrich sang für sie. 2014, als Maleen gerade mal 18 Jahre alt war, berührte ihr Buch „Als gäbe es kein Morgen – Wie die Hoffnung den Tod besiegen kann“ ganz Österreich, ihre Story brachte es als „Osterwunder“ sogar am Ostersonntag auf das Titelblatt der „Kronen Zeitung“. Herausgegeben wurde es damals von OOOM-Verlegerin Christina Zappella-Kindel. Bei der Buchpräsentation in der Orangerie des Wiener Tiergarten Schönbrunns spielte Rainhard Fendrich seine Hits wie „Weus‘d a Herz hast wia a Bergwerk“ für Maleen. Durch ihren Vater Gerry lernte der Sänger schon früh das tapfere kleine Mädchen kennen, er spielte Benefizkonzerte mit Wolfgang Ambros und Georg Danzer für die Lungenhochdruck-Forschung und betete, wie Maleen in ihrem Buch verriet, sogar gemeinsam mit ihr den Rosenkranz.
Ein, zwei Jahre nach dem Bucherfolg verlor sich der Kontakt zu Maleen, die mittlerweile in den USA studierte. Jetzt wollten wir wissen, wie es ihr geht und wie ihr Leben seitdem verlaufen ist. Denn als bei ihr schon im Alter von drei Jahren Lungenhochdruck diagnostiziert wurde, gaben ihr die Ärzte nur wenige Jahre. Dass sie ihren zehnten Geburtstag erleben wird, daran zweifelten fast alle. Doch Maleens Eltern Gerry und Benita wollten sich damit nicht abfinden. Nach monatelanger Suche fand Gerry Fischer in Robyn Barst am Mount Sinai Hospital in New York die damals einzige Ärztin, die eine Behandlung für Lungenhochdruck entwickelt hatte: die Pumpe. „Es ist in so einer Situation fast schon ein Privileg“, weiß Maleen Fischer heute, „wenn man mit so einer Therapie schon so früh aufwächst, weil ich kannte es nie anders. Das hilft mir heute, denn die Pumpe war schon immer mein Begleiter. Müsste ich erst jetzt mit 27 lernen damit zu leben, so wäre das ungleich schwieriger.“ Trotzdem war ihre Kindheit alles andere als einfach: „Man ist natürlich traurig, weil man nicht schwimmen gehen oder herumtollen kann. Aber ich hatte sehr liebe Freunde, die mich ganz normal behandelt haben.“
Bachelor summa cum laude. Maleen machte 2018 mit Auszeichnung summa cum laude den Bachelor in Media Communications auf der Webster University in Wien. Und sie lernte beim Studium die Liebe ihres Lebens kennen, Peter, mit dem sie nun seit acht Jahren ein Paar ist.
Probleme mit dem Lungenhochdruck gab es immer wieder. Nicht so dramatische wie 2013, als ein Darmdurchbruch anfänglich nicht diagnostiziert wurde und sie mit hohem Fieber, einem septischen Schock und beginnendem Organversagen bereits im Sterbezimmer des Health Park Medical Centers in Ford Myers lag. Ihre Überlebenschance war minimal. Doch Maleen Fischer ist Zeit ihres Lebens eine Kämpferin gewesen, die niemals aufgibt. Und so überlebte sie auch diese fatale Diagnose.
Gesunde Menschen haben viele Träume. Kranke Menschen haben nur einen einzigen: Gesund zu werden.
OP alle vier Jahre. Rund alle vier Jahre muss der Schlauch, der von der Pumpe in ihr Herz führt, ausgetauscht werden. Das passiert in einer rund vierstündigen Operation. Nach wie vor gibt es bei Lungenhochdruck keine Alternative, die ein Überleben ermöglicht: „Aber die Hoffnung ist da, dass es eines Tages in der Forschung einen Durchbruch gibt.“ Maleens Vater hat schon früh die Initiative Lungenhochdruck gegründet und Millionen Euro an Spenden gesammelt, um die Forschung voranzutreiben. „Die Situation hat sich seit meiner Kindheut auf jeden Fall verbessert. Sollte die Pumpe ausfallen, bedeutet das nicht sofort die komplett akute Lebensgefahr. Es gibt Medikamente, die im Notfall auch ein paar Stunden das Überleben sichern können, bis die Pumpe wieder repariert ist“, erzählt Maleen Fischer. Zeigt eines Tages das Prostacyclin keine Wirkung mehr, bleibt als letzter lebensrettender Ausweg nur mehr eine rasche Lungentransplantation: „Das ist etwas, das wir natürlich so lange wie möglich rauszögern wollen.“
An ein Leben mit vielen Einschränkungen musste sich Maleen Fischer schon sehr früh gewöhnen. Sie darf bis heute keinen Sport betreiben, nicht einmal joggen. Sie hat noch nie in ihrem Leben Volleyball gespielt, noch nie Tennis, kein Handball. Wenn sie schwimmen will, geht das nur mit einem speziellen Neoprenanzug, wobei das Rein- und Rauskommen mit Pumpe und Schlauch so eine Tortur ist, dass sie es lieber bleiben lässt. Wenn der Sommer in Florida am schönsten ist und ihre Freunde surfen oder tauchen gehen, kann sie nur zusehen. Speziell als Kind war das schwierig: „Eine gesunde Art der Bewegung wie Spazierengehen mit meiner zwei Jahre alten Hündin Quinn geht heute aber gut und war vor allem in der Covid-Zeit wichtig.“
Covid. Eine Krankheit, die bis zur Impfung für Menschen mit Vorerkrankungen oft tödlich endete. Ausgerechnet zu Beginn der Pandemie wurde Maleen Fischer massiv krank, mit Fieber, Husten und „allen Zuständen. Ich habe Sauerstoff daheim bekommen und konnte nicht mal allein auf die Toilette gehen. Das ging zwei, drei Wochen lang so“. Damals gab es noch keinen Corona-Test. Wenn die Sauerstoffsättigung weiter fällt, sagte ihre Ärztin, müsse sie unweigerlich in die Klinik und da sei die Chance, dass sie intubiert werden müsse, groß. Das sollte vermieden werden: „Gott sei Dank ist es dann doch besser geworden. Im MRT sah man, dass ich auf jeden Fall eine Lungenentzündung hatte“. Ob das bereits Corona war, hat sie nie erfahren. Schließlich erkrankte sie zweimal, als sie jedoch schon die dritte Corona-Impfung hinter sich hatte. Der Verlauf selbst war leicht, erst später bekam sie Long Covid-Symptome, die sich bis vor Kurzem hingezogen haben: „Ich war wirklich immer sofort außer Atem.“
Harvard-Abschluss. Als Corona hinter ihr lag, machte sie letztes Jahr im Sommer schließlich ihren Harvard-Abschluss. Noch während des Masterstudiums hat sie begonnen, im Digital-Media-Bereich für die Make-A-Wish-Foundation zu arbeiten. Dann ist sie zur Initiative Lungenhochdruck gewechselt, wo sie den Social-Media- und Marketing-Bereich übernommen hat. Wie sieht sie selbst ihre Zukunft? Wovon träumt sie?
In ihrem 2014 erschienenen Buch „Als gäbe es kein Morgen“ schreibt Maleen: „Mein Ziel ist, einmal Nachrichtensprecherin zu werden. Das wäre ein Beruf, den ich mit meiner Krankheit gut machen könnte“. Neun Jahre später ist der Traum der gleiche: „Ich würde wirklich gerne moderieren.“
Nebenbei hat Maleen Fischer auch noch Koreanisch gelernt. „Ich wollte einfach eine asiatische Sprache lernen. Japanisch gefällt mir vom Klang her nicht, mein Hund ist ein koreanischer Jindo – also habe ich mich für Koreanisch entschieden.“ Reisen ist ihr nur sehr eingschränkt möglich: „Nur an Destinationen, wo Kliniken sind, die mir im Notfall helfen können. Wenn ich irgendwann nach Seoul in Südkorea reisen möchte, müssen wir erst herausfinden: Wo gibt es dort Spezialisten? Dazu kommt: Ich muss mit Medikamenten reisen, Gläsern mit weißem Pulver, Flüssigkeiten, Nadeln – also mit allem, was man im Flugzeug nicht haben darf. Ich habe zwar internationale Dokumente dafür, aber die Kontrollen sind jedes Mal langwierig. Ich darf auch durch keinen Scanner gehen, weil das die Pumpe stört.“
Ihr Traum, einmal eine Familie zu gründen, besteht nach wie vor. Eigene Kinder wird sie nicht bekommen können. Ihre Medikamente lassen das nicht zu. Bis heute hat keine Frau mit Lungenhochdruck eine Geburt überlebt – und auch kein Kind im Mutterleib: „Es spricht aber nichts gegen eine Adoption. Doch diese Überlegungen liegen noch in weiter Ferne. Das absolut Wichtigste für mich ist, dass ich mit Peter einen so tollen Partner habe, wo wir einander unterstützen und uns auch den Raum geben, das zu erreichen, was wir wollen. Er hat gerade seinen PhD gemacht.“
Timberlake & Lagerfeld. So dramatisch Maleen Fischers Krankheit auch verlaufen ist: Sie hat durch sie viele interessante Persönlichkeiten kennengelernt. Karl Lagerfeld hat Maleen mehrfach zu Chanel-Haute-Couture-Shows nach Paris eingeladen. Sie traf Justin Timberlake, Jessica Alba, Marylin Manson. „Wenn es dunkel wird“, sagte ihr Vater schon früh zu ihr als Metapher für schwere Zeiten, „musst du dich erinnern, dass du das Licht bist. Durch deine Krankheit wirst du auch Momente erleben, die kein Mädchen deines Alters sonst erleben darf. Wo Schatten ist, ist eben auch Licht. Du musst es nur finden.“ Einen Rat, den sie sich bis heute zu Herzen genommen hat. „Dieses Licht gibt mir Halt in den dunkelsten Stunden.“
Was ihr noch Halt gibt ist der Glaube: „Gerade in Zeiten, wo man sehr panisch wird, in Situationen, wo zum Beispiel der Schlauch zum Herzen verstopft ist, ist es schön etwas zu haben, was einen erdet. Es ist ganz egal, woran man glauben möchte, aber ich finde es essenziell, überhaupt an etwas zu glauben. Für mich als jemanden, der täglich mit seiner Krankheit konfrontiert wird, bedeutet das einfach auch Kraft. Ich werde meinen Weg gehen, und wer auch immer da oben ist, er wird mich hoffentlich dabei unterstützen. Gesunde Menschen haben viele Träume“, sagt Maleen Fischer. Sie macht eine lange Pause: „Kranke Menschen haben nur einen einzigen Traum. Gesund zu werden.“ Weise Worte einer starken, jungen Frau.