Gute zwei Stunden dauert die Fahrt zum Areal der Finca La Donaira, wenn man den Trubel der Großstadt Marbellas hinter sich lassen will. Der Platz der Finca ist wunderbar, denn er liegt genau zwischen den drei Provinzen Cádiz, Sevilla und Málaga. Abgeholt wird man in El Gastor, einem weißen, an einen Hügel geschmiegten Bergdorf. Von dort geht es 15 Minuten weiter über eine Staubstraße zu den Gipfeln der andalusischen Serrania de Ronda, bis man zu einem Eisentor kommt. Kein Schild, keine Gegensprechanlage.
Das Tor wird geöffnet und der Weg führt weiter hinauf, sodass man in fast 1.000 Meter Höhe beim Anwesen ankommt. Die Weite und Stille sind erstaunlich. Autos gibt es hier nicht, denn Hotel-Gäste werden immer in El Gastor abgeholt. Auch das ist Teil des diskreten Luxus, dieses Bio-Boutique-Hotels und Reitzentrums.
Die Finca, mit nur neun Zimmern, erinnert an ein Familienanwesen. Der zu einem riesigen Aufenthaltsraum umgebaute Stall mit breiten Bretterböden hat bequeme, in ihren Proportionen großzügige, elegante Ledersofas. Lampen des Designers Pierre Cardin aus den siebziger Jahren verleihen dem ganzen einen modernen Touch. Große Fenster scheinen wie gemalte Stillleben der Natur. Auch ein Konzertflügel befindet sich in dem Raum und bietet jedem, der hier von der Muse geküsst wird, die Möglichkeit, sich auszudrücken.
In jedem Zimmer steht ein frischer Blumenstrauß. Beim Öffnen der Balkontüren schlägt einem der Duft der Feigenbäume entgegen und auch eine Lärm-Kulisse der anderen Art: Vögelgezwitscher und das Gesumme von Bienen. Kein Wunder, denn der üppige Obst-, Kräuter- und Blumengarten befindet sich in unmittelbarer Nähe der Finca. Dieses Garten-Paradies – das Herz des Hotels – wurde von Gerhard Bodner geschaffen. Sein Bruder Manfred Bodner, Mitgründer von bwin, erwarb die Finca samt Land und baute sie zu einem einzigartigen Refugium aus. Im Garten von La Donaira findet auch unser Gespräch statt.
Wie lange dauerte es, diesen prachtvollen Garten anzulegen?
Vor ungefähr zehn Jahren setzten wir den ersten Baum. Es war ein Kampferbaum. Hier gab es ja nichts. Es war und ist ein langwieriges und andauerndes Projekt. Jeder Baum, jede Blume, jedes Heilkraut, wurde gepflanzt. Heute sind die Gärten, die auch unsere Gäste ernähren, riesig. Alleine hier im 600 Quadratmeter großen Kräutergarten gibt es 300 Heilpflanzen. Es gibt eine große Vielfalt an saisonalen Früchten, vom Pero de Ronda, einer alten und seltenen lokalen Apfelsorte, über Pfirsiche, Birnen, Quitten, Bergamotte, Feigen, Kastanien, Kirschen, Orangen und Granatäpfel. Die verschiedenen Blumensorten will ich gar nicht aufzählen. Außerdem gibt es zwei Hektar Gemüsegärten, drei Hektar Weinberge, Olivenbäume und Bienenstöcke.
Durch die Pflanzenvielfalt werden Insekten und Vögel angezogen?
Ja. Doch auch weil wir uns im ersten Jahr mit einem Vogelspezialclub zusammenschlossen haben, der uns mit 120 Multi-Vogelhäusern – für Vögel, Fledermäuse und Insekten – versorgte. Das war sehr erfolgreich. Im zweiten Jahr hatten wir weitere 250 Multi-Vogelhäuser und die wurden sofort okkupiert. Da es hier jetzt regelmäßig Wasser gibt, können die Tiere gut überleben. Es ist interessant zu beobachten, wie sich alles über die Jahre entwickelt und gestaltet hat. Eines greift ins andere über.
Vor zehn Jahren zogen Sie von Paris hierher. Wie kam es dazu?
13 Jahre führte ich die Bar Italia in Wien. Irgendwann war genug und ich kehrte dem Nachtleben den Rücken zu. Ich ging nach Paris und arbeitete dort. Immer wieder rief mich mein Bruder Manfred an und fragte mich, ob ich Teil seines Projekts „La Donaira“ werden will. Nach einiger Zeit sagte ich zu. Das Angebot war zu verlockend und ich ließ mich auf das Abenteuer ein.
War es denn so abenteuerlich?
Es ist schon mal ein Abenteuer, sich aus Großstädten wie Wien und Paris zu verabschieden und hierher auf den Berg zu ziehen. So weit war ich eigentlich noch nicht. Mein Bruder war auf der Suche nach einem Familienhaus. Er verliebte sich in diese menschenleere Gegend hier: Serrania de Ronda. Drei Jahre lang sah er sich jede Finca an. Diese fand er 2006 in einem total desolaten Zustand. Irgendwann wurde ihm auch klar, dass es kein Familienhaus wird und die Idee einer organischen Farm, eines nachhaltigen, luxuriösen Hotels wurde immer attraktiver – auch für mich.
Inwieweit war das Projekt von der Leidenschaft Ihres Bruders für Pferde getrieben?
Zu einem großen Teil. Reit- und gute Dressurpferde zu züchten waren Träume von Manfred, die er umsetzen wollte. Auch will er das Image der Lucitano-Pferde, einer portugiesischen Pferderasse, aufwerten. Eigentlich waren es Kriegspferde. Bekannt sind sie als Stierkampfpferde, da sie so wendig, mutig und schnell sind. Die Junghengste leben hier auf der Koppel. Wir begannen mit drei Lucitano-Pferden. Mittlerweile leben hier siebzig Pferde.
Und auch andere Vierbeiner.
Oh ja: Unser Tierbestand ist groß. 41 Ziegen, 260 Schafe, 26 Papua-Rinder, 19 Berrenda-Kühe, 308 Hühner, und viele Esel, unser Transportmittel.
In welche Bereiche des Hotel-Projekts waren Sie noch involviert?
Ich konzentrierte mich auf die Inneneinrichtung des Hotels und die Gestaltung der Gärten. Auch bei der Inneneinrichtung war uns Nachhaltigkeit wichtig. Die Farm wurde ökologisch saniert und wir fuhren zu vielen Flohmärkten, um Verschiedenstes für das Hotel zu finden, so zum Beispiel auch nach Lille, dem größten Flohmarkt Europas. Es ist erstaunlich, was dort alles angeboten wird: von schmiedeeisernen Türen und Fenstern bis zu bestem Leinen. Man könnte sich ein Schloss bauen.
Sie leben nun fast zehn Jahre in Spanien. Mittlerweile designen Sie Lederartikel, auch diese sind zum Teil nachhaltig. Seit 2019 gibt es die Marke „Gerhard Bodner“. Kann traditionelles Leder tatsächlich nachhaltig sein?
Meine Kollektion ist sehr klein. Auf der Suche nach lokalen Materialien und traditioneller Herstellung kam ich nach Ubrique, einer Stadt, die nur 40 km von meinem Haus entfernt ist. Jedes Stück wird hier von Handwerkern in Handarbeit hergestellt, und die Technik wird von Generation zu Generation weitergegeben. Das ist seit 200 Jahren so. Maschinen – Nähmaschinen und Stanzmaschinen – werden nur zu einem kleinen Teil verwendet, man geht sensibel mit den Rohstoffen um. Auch besteht der Großteil unserer Kollektion aus pflanzlich gegerbtem Leder. Das heißt, es werden Mimosen- und Korkeichenrinde, Olivenblätter und Rhabarberwurzeln verwendet. Dass Lederprodukte, die fast zu 100 % von Hand gefertigt werden, höhere Kosten haben als jene, die maschinell hergestellt werden, ist logisch.
Sie selbst sind als einer von vier Brüdern in Kitzbühel aufgewachsen. Wie sehr hat Tirol Sie geprägt?
Die Liebe zur Natur steckt in mir. Und die Natur übt mich in Geduld. Unsere Mutter pflegte nicht nur einen wunderbaren Garten, sie ist auch eine fantastische Köchin. Wir haben jeden Tag sehr gut gegessen. Sie war die Erste, die im Bio-Laden einkaufen ging, auch als noch darüber gelacht wurde. Guten Geschmack haben wir – in vielen Belangen – zu Hause gelernt, somit legen wir automatisch Wert darauf.