Es gibt auch den Trend zu einer verstärkten Spiritualität. Sie haben eine Zeit lang mit Mönchen gelebt?
AW: Ja, fast ein Jahr lang in einem taoistischen Kloster in China an der Grenze zu Tibet auf 4.000 Meter Höhe.
Ich war ein passionierter Kampfsportler und hatte vor Wettbewerben immer das Problem, mich nicht im Griff zu haben. Ich war so wild, dass das nicht dem asiatischen Kampfkunststil entsprach. Die Zeit dort hat mein Leben geprägt. Dieser Trend zur Ruhe, zu sich selbst, zu einer transformierenden Ebene, die jeder anders empfindet, das ist unglaublich angenehm, es tut gut. Die Transzendenz ist eine Besinnung auf sich selbst, es ist ein unendlicher Fatalismus, die Dinge anzunehmen, wie sie sind. Was ich dort gelernt habe, waren Akzeptanz, Perspektive, Freude, Dankbarkeit, Demut, Heiterkeit, um die Welt und die Dinge, die geschehen, auch annehmen zu können. Gläubige Menschen tun sich leichter, weil sie haben ihre Religion und sagen: Gott hat das so vorgesehen und wird mir auch wieder helfen, da herauszukommen. Wie kann man zufrieden sein, auch wenn man vielleicht im tiefsten Inneren nicht zufrieden ist? Man kann ein bisschen wegdenken von sich. Dieses Wegdenken erleichtert vieles. Wir können uns auch soziale Aufgaben suchen, wir können Altenpflege betreiben, Behinderte in den Park führen. Aber zu mir oder Kris zu kommen ist der billigste und schnellste Weg, wir leben davon.
Ist Empathie das, was einen guten Arzt ausmacht?
AW: Ja, das ist eine Grundvoraussetzung. Empathie ist besonders dann wichtig, wenn man Emotionen verkauft. Und wir bieten nur zu einem Teil Medizin an, wir bieten Emotionen an. Viele kommen zu mir, wenn irgendetwas in ihrem Leben ist, womit sie sich nicht wohlfühlen. Und da neigen Frauen eher dazu, sich über ihre Körperlichkeit zu definieren, als Männer. Frauen zweifeln relativ schnell an sich und ihrer Äußerlichkeit, das ist wahrscheinlich kulturell bedingt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht irgendwann einmal gegen mein eigenes Fach sprechen werde, weil es doch in vielen tagtäglichen Bereichen schwieriger wird für mich, zu hundert Prozent hinter dem zu stehen, was ich mache. Man hat dazwischen einen Lauf, wo man denkt: Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr. Aber dann kommen wieder Leute, wo man sagt: Jetzt weiß ich, warum ich es tue. Ich habe jemanden glücklich gemacht.
KW: Du bist sehr kritisch und sprichst aus der Position eines in sich ruhenden, selbstsicheren Mannes. Wenn eine Frau zu dir kommt, die sich tatsächlich mit ihrem Busen nicht wohlfühlt, dann hilfst du ihr damit. Das hat einen Einfluss auf ihre Psyche.
AW: Ich könnte meinen Umsatz verdoppeln, wenn ich Leute aus einer Krisensituation abhole. Man darf nicht vergessen:
Du kaufst nicht einfach eine Handtasche, du lässt die Integrität deines Körpers verletzen, du lässt dir reinschneiden. Da muss schon eine ganz schöne Motivation dahinter sein. Ich mache viel kostenlos im rekonstruktiven Bereich, das ist ein unendlich positives Gefühl. Wir sitzen dann oft im Team zusammen, haben den ganzen Tag kostenlos operiert und sagen: Wir fühlen uns heute richtig gut.
Kristina, Sie beide trennt altersmäßig eine Generation. War Ihre Beziehung am Anfang schwierig?
KW: Also leicht war es nicht. Das Verlieben war einfach, eine Beziehung aufzubauen, die nachhaltig ist, das war schon wesentlich herausfordernder. Nicht wegen des Berufes, sondern privater Befindlichkeiten, der Konstellation und auch meinem Sturschädel.
Artur, Sie haben eine junge Familie, hält Sie das jung?
AW: Ja. Da sind wir wieder bei der Energie. Kinder kann man nicht mit dem Kopf erfassen, sondern energetisch.
Wenn das Kind in der Nähe ist und bei dir schläft das sind Energien, die sind unbeschreiblich. Was ist jung? Jung ist eine gewisse Offenheit den Dingen gegenüber. Wenn neue Emotionen und Fakten auf einen zukommen, dann muss man seine festgefahrene Meinung eben ändern. So kann man auch zum Wechselwähler werden. Offenheit sollte man zelebrieren, gerade in der heutigen disruptiven Zeit.