Nach 30 Jahren stehen wir uns zum ersten Mal wieder gegenüber. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht und weit ausgebreiteten Armen begrüßt mich Kathi in der Eventlocation „Libelle“ des Wiener Museumsquartiers bei ihrer ersten Buchpräsentation.
Das Mädchen aus Bad Fischau. Katharina Schneider, das Mädchen aus Bad Fischau, hat sich mit ihrem beeindruckenden Werdegang und ihrer charismatischen Art als erfolgreiche Investorin in der österreichischen Start-up- Szene einen Namen gemacht. Hans Peter Haselsteiner, Stefan Piëch, Hans Enn, allesamt Teil eines hochkarätigen Netzwerks, das sich die MediaShop-Gründerin in den letzten 20 Jahren als Unternehmerin aufgebaut hat, waren gekommen, um Katharina bei ihrem Autorinnen-Debüt zu unterstützen. „Raus aus dem Hamsterrad“ – der Titel des Erstlings – zeigt, dass auch ihr Weg an die Spitze nicht ohne Hindernisse verlaufen ist und dass es in ihrem Leben offensichtlich einen Moment gegeben haben muss, durch den ihr klar geworden ist: So kann es nicht mehr weitergehen!
„Der Tiefpunkt meines Lebens war, als beruflich und privat alles zusammengebrochen ist und ich dann auch noch im Spital auf eine mögliche Krebs-Diagnose warten musste“, erzählt Schneider heute über den schwersten Moment in ihrem Leben. Da versprach sie sich „und dem lieben Gott: Wenn das gut ausgeht, dann werde ich mein Leben ändern“. Ein Versprechen, das die Unternehmerin einhalten sollte.
Zurück zum Anfang. Kathi war schon in der Schule ein äußerst aufgewecktes Mädchen, das durch ihre Sportlichkeit und ihren ungebremsten Elan aufgefallen war. Eines von jenen Mädels, das man insgeheim beneidet. Offen, sympathisch, sportlich und selbstbestimmt, beliebt in der Klasse und äußerst hübsch.
Die Familie: klassisch konservativ, der Vater selbstständiger Architekt, die Mutter Lehrerin, der obligatorische sonntägliche Kirchgang unausgesprochene Pflicht.
Erste Schneebar. Das Unternehmertum war ihr ursprünglich nicht in die Wiege gelegt worden, doch die Herausforderung, Neues zu schaffen, lag offensichtlich in ihrer DNA: „Ich kann mich erinnern, dass ich schon als Kind wahnsinnig gerne verkauft habe. Ich habe eine Schneebar gebaut, die Schnäpse meines Vaters zu Geld gemacht und die Hüte meiner Mutter an die Frau gebracht.“
Zwar absolviert Katharina, pflichtbewusst, wie von der Mutter gewünscht, ihr Lehramtsstudium in Sport und Deutsch, ausüben sollte sie diesen Beruf allerdings nie:
„Ich wollte immer etwas bewegen. Schon neben meinem Lehramtsstudium habe ich für Konzerne oder größere Unternehmen gearbeitet, aber auch da musste ich erkennen, dass es für mich Grenzen innerhalb des Unternehmens gab. Wenn ich eine Idee hatte, musste ich mich immer mit der Geschäftsführung abstimmen“, so die Investment-Expertin. Um den Grenzen eines Angestellten-Daseins zu entkommen, machte sie sich vorerst als Unternehmensberaterin selbstständig und versuchte Websites zu verkaufen, die von den Kunden selbst bearbeitet werden konnten. Die Idee war gut, aber ihrer Zeit voraus.
Callcenter. Also startete das Multitalent ihr erstes Start-up im Bereich Callcenter und entwickelte ein komplett neues Konzept: „Callcenter auf Homeoffice-Basis“, sozusagen. Um im Ernstfall auch eine mögliche Flut an Anrufern bewältigen zu können und technisch gewappnet zu sein, kooperierte sie mit einem IT-Provider, der auf Sex-Hotlines spezialisiert war. Vor siebzehn Jahren, im gleichen Jahr, als auch ihr Sohn Johannes, genannt Jojo, geboren wurde, entschloss sich Katharina, zusammen
mit ihrem damaligen Ehemann Dieter das Direct-Response-TV-Unternehmen „MediaShop“ zu kaufen. Zwar voll motiviert, aber fast ohne eigenes Kapital wagte sie den Schritt ohne jegliches Sicherheitsnetz. Mit einem Neugeborenen am Arm revolutionierte sie den altmodischen Teleshopping-Kanal, der ursprünglich nur in der Schweiz und in Österreich zu sehen war, formte ein international erfolgreiches Omnichannel-Unternehmen, das in 165 TV-Kanälen europaweit ausstrahlt, mit 320 Stunden täglichen Sendungen, 500 Mitarbeitern, dessen Produkte in 40 verschiedenen Ländern zu kaufen sind. MediaShop etablierte sich als größter Direct-Response- Anbieter im deutschsprachigen Raum und erreicht heute fast 150 Millionen potenzielle Kunden.
Dass der Weg auf der Überholspur, der anfangs auch wirtschaftlich nicht nur von Erfolgen gekrönt war, auch Narben hinterlässt, war spätestens sechs Jahre später klar: „Ich war quasi ständig für die Firma erreichbar, zeitgleich war ich Mutter, Ehefrau und hatte einen Haushalt. Es war nonstop. Meine einzigen Erholungsphasen waren im Schlaf“, reflektiert Katharina über die Zeit, die letztendlich zum Zusammenbruch geführt hat.
Scheidung. „Es klingt vielleicht brutal, aber ich glaube schon, dass eine Krise dazu beitragen kann, sich sowohl beruflich als auch persönlich weiterzuentwickeln“, sagt sie heute. Durch den Tiefpunkt des Lebens folgte der radikale Wandel: „Ich habe mich scheiden lassen und habe das erste Mal begonnen, mich um mich selbst zu kümmern“, sagt Katharina Schneider über den Moment des Erwachens. „Ich erinnere mich, dass ich plötzlich beim Spazierengehen wieder das Zwitschern der Vögel wahrgenommen habe und auch die Schönheit der Schmetterlinge. Endlich konnte ich meine Umwelt wieder sehen, konnte Dinge entdecken. Es war, als wäre ich neu geboren.“
Spiritualität. Ihr werden auf einmal die vielen Glaubenssätzen klar, die wir seit unserer Kindheit in uns tragen und die uns unbewusst steuern. Katharina Schneider beschäftigt sich mit den „Gesetzen unseres Geistes“, beginnt Systeme zu hinterfragen, die wir als gegeben hinnehmen, setzt sich mit religiösen und spirituellen Lehren auseinander und kreiert ihre eigenen Werkzeuge, um im Leben zu reüssieren: „Ich sage immer Cherry-Picking dazu. Es ist meine eigene Methodik. Ich suche mir das heraus, was mir guttut und was ich zu dem Zeitpunkt brauchen kann. Wenn wir nämlich von Dogmen reden, sind wir gleich wieder in einem System.“ Das Geheimnis liegt in der Ausgeglichenheit, ist Schneider überzeugt: „Das ist auch eines der hermetischen Gesetze: Das Weibliche und das Männliche gehören zusammen und sind eins, genauso brauchen wir einen gewissen Stresslevel und dann wieder die Erholung, das ist unser Leben.“
Auszeit. Mittlerweile kennt und spürt die leidenschaftliche Unternehmerin, die ihr Know-how auch in Form von Mentorings, Seminaren und Key Notes weitergibt, ihre Grenzen ganz genau: „Wenn ich merke, dass ich zu viel unterwegs bin oder zu viel arbeite, dann ziehe ich in der Sekunde einen Schlussstrich. Ich nehme mir eine Auszeit, meditiere, nehme mir einen Tag oder ein Wochenende frei. Manchmal reicht es auch, einfach nur mal eine Stunde rauszugehen in die Natur.“
Die Selfmadefrau, die sich ihre beruflichen Skills selbst beigebracht hat und noch aus einer Zeit kommt, in der es exotisch war, dass eine Frau, die weder geerbt hatte, noch in eine Unternehmerfamilie hineingeboren war, den Weg in die Wirtschaft wählt, ist dankbar über die innere Transformation: „Früher habe ich alles persönlich genommen und mir Vorwürfe gemacht, wenn etwas nicht geklappt hat. Heute genieße ich es zu kreieren. Ich sehe schwierige Situationen als Herausforderung. Ich reagiere nicht mehr, sondern ich agiere: Raus aus der Opferrolle, raus aus dem Hamsterrad.“
Verlegerin. Das ist auch der Titel ihres Erstlingswerks, das Ende März erschienen ist. Der letzte Kick zum Buch kam über Umwege: „Alles hat begonnen mit einem Investment in ein Kinderbuch bei ‚2 Minuten 2 Millionen‘. Ich war so naiv zu glauben, dass ich ein Buch genauso verkaufen kann wie jedes andere Produkt.“ Dann aber war bald klar: Ein Verlag muss her. Also gründete die findige Geschäftsfrau kurzerhand die Essence Publishing Company: „Das war eigentlich ganz praktisch, somit war klar, dass wir auch noch andere Bücher rausbringen.“
Folge dem Herzen. Der Wunsch, Menschen in ihrer Entwicklung zu unterstützen, und die Synergien des neu entstandenen Verlages ebneten ihr den Weg zur Autorin. Mit dem Buch will sie Menschen Mut zum Wandel machen, sie motivieren, „ihrem Herzen zu folgen“, um letztendlich den Weg zu gehen, der sie erfüllt und glücklich macht: „Ich habe mich entschlossen, meine und ähnliche Geschichten niederzuschreiben, um Menschen zu inspirieren, Leader ihres eigenen Lebens zu werden.“
Selbstständigkeit bedeutet Freiheit, aber braucht auch Courage. Und Mut hat Katharina Schneider. Es geht ihr darum, „innovativ zu sein und zu verändern“, das war auch ihre Motivation, als sie vor mehr als fünf Jahren den Job als Investment-Angel bei der Puls 4-Start-up-Show „2 Minuten 2 Millionen“ angenommen hat. Denn eigentlich sucht die Investment-Expertin die öffentliche Bühne nicht: „Ich will Menschen ansprechen und unterstützen und mir war klar: Nur wenn man sich sichtbar macht, hat man die Möglichkeit, etwas zu verändern.“
Nur 10% der Start-ups überleben. Durch ihre Expertise in Sachen Markenentwicklung, Produktion, Marketing und Vertrieb unterstützt sie in ihrer mittlerweile siebenten Staffel Jung-Unternehmer mit ihrem Netzwerk und ihrem Gespür: „Man glaubt immer, dass das Investment das Wichtigste ist, dabei gibt es ganz andere Themen, auf die man achten muss.“ Beispielsweise kann zwar das Produkt innovativ sein und den Zeitgeist treffen, aber wenn der Gründer nicht die mentale Power in sich trägt, um im Unternehmertum zu reüssieren, nutzt dies wenig. Denn immerhin überleben nur zehn Prozent aller Start-ups, und von diesen zehn Prozent werden nur zehn Prozent erfolgreich: „Noch dazu befinden wir uns gerade in einer Zeit des extremen Wandels. Die Arbeitswelt verändert sich rasant, alles ist viel komplexer geworden. Der Wunsch nach einer gewissen Selbstbestimmtheit nimmt zu und es geht mehr um ein Miteinander als um hierarchische Strukturen.“
Mentale Gesundheit. Auch das Thema „mentale Gesundheit“ wird wesentlich stärker in Unternehmen Einzug finden müssen, als das bis jetzt der Fall war. „Gedanken bestimmen nämlich unsere Leben“, reflektiert sie: „Wir haben am Tag angeblich 70.000 bis 90.000 Gedanken und wir wissen, dass das, was wir denken, zu 90 Prozent das Gleiche ist wie am Vortag. Solange das so bleibt, tappen wir auch immer wieder in dieselben Probleme, dieselben Krisen, dasselbe Drama.“ Es ist also Zeit, innezuhalten und mit unseren Gedanken bewusst umzugehen.
Den Schritt in ein bewusstes Leben hat Katharina Schneider für sich selbst längst gemacht. Sie liebt das, was sie tut, weiß, wann es Zeit ist, auch mal zu pausieren und kennt ihre Bedürfnisse genau. Reisen und mehr Flexibilität, so sieht sie ihre Zukunft in zehn Jahren: „Ich liebe das Meer und die Natur. Es gibt noch einige Orte in der Welt, die ich unbedingt sehen will.“ Indien, Australien und Kanada stehen auf ihrer Bucket-List. Ein bescheidener Wunsch, denn sie weiß: Alles andere trägt sie bereits in sich.