Sie wurden in Chile geboren und mit sieben Monaten von einer New Yorker Familie adoptiert. Was wissen Sie von Ihrer Vergangenheit?
Ich habe ein paar Dokumente. Da es sich um eine Adoption handelte, habe ich nicht viele Informationen und mir wurde gesagt, dass die Akte für lange Zeit versiegelt ist. Aber ich habe ein Foto von meiner Mutter und jenem Mann, von dem wir glauben, dass er mein Vater ist, sowie ihre Namen. Das sind alle Informationen, die ich erhalten habe.
Es wäre wunderbar für mich zu wissen, woher ich komme. Jetzt, wo ich ein kleines Mädchen, eine Tochter habe.
Sie haben Ihre leiblichen Eltern nie kontaktiert?
Bisher nicht.
Wird der Tag kommen, an dem Sie nach ihnen suchen werden?
Ich habe Interesse, aber andere Dinge sind mir zurzeit wichtiger. Es wäre wunderbar für mich zu wissen, woher ich komme. Jetzt, wo ich ein kleines Mädchen, eine Tochter habe, ist das für mich noch faszinierender. Ich habe mir überlegt, eine Reise zu ihnen zu machen, wenn ich Zeit habe, diese ganze Sache zu klären.
Ihr Vater ist Anwalt in New Jersey, Sie sind in Princeton aufgewachsen. Hat Sie der Anwaltsberuf nie interessiert?
Auf keinen Fall.
Wer hat Ihr Talent entdeckt?
Ich nahm an einem Sommerprogramm für Kinder teil, weil meine Eltern beide Vollzeit arbeiteten und uns im Sommer in ein Camp schicken mussten. Man konnte verschiedene Kurse im Community College in New Jersey wählen. Ich habe mich für den Chor entschieden, weil ich gerne singe. Ich war vielleicht acht Jahre alt, und der Musikdirektor, der dieses Programm leitete, war mit einem anderen professionellen Chor verbunden. Er hat meinen Eltern gesagt, dass ich mich an dieser Chorschule in New Jersey bewerben sollte, weil er überzeugt war, ich hätte das Zeug zum Singen. Er war der Erste, der sagte: „Er hat eine schöne Stimme, er sollte versuchen, etwas daraus zu machen.“
Wann kam der Moment, an dem Sie dachten: Das könnte eine Zukunft für mich sein?
Wenn man ein Jugendlicher ist, kommen und gehen die Interessen. Ich war auf dem College, um ein klassischer Musiker oder Sänger zu werden, aber wollte ich in die Oper? Nicht unbedingt. Ich wollte einfach eine klassische Musikausbildung machen. Nach dem College hörte ich für eine Weile mit dem Singen auf, ich machte einige andere Dinge, promotete Veranstaltungen, legte als DJ in New York auf, und ich vermisste wirklich diese Verbindung zur Musik, die ich immer hatte. Jeden Tag wurde sie stärker und mit 25 Jahren wusste ich: Ich will das machen, das ist mein Lebensinhalt.
Wie lange haben Sie täglich geübt?
Vier, fünf, sechs Stunden am Tag, monatelang hindurch – da habe ich wirklich die Veränderung und die Entwicklung meiner Stimme und auch meiner Musikalität bemerkt. Denn ich hörte all diesen wunderbaren Menschen zu, deren Aufnahmen, Alben, und das war für mich selbst eine große Veränderung.
Wie wäre Ihr Leben verlaufen, wenn Sie nicht adoptiert worden wären?
Ich denke, ich habe eine tolle Stimme. Aber ich wäre nicht da, wo ich jetzt im Leben bin, und all die Menschen, die mich unterstützen und an mich glauben, wären nicht dieselben.
Sie haben mir in Wien bei unserem ersten Treffen erzählt, dass Sie in einer jüdischen Familie aufgewachsen sind. Ist die Religion heute ein wichtiger Teil Ihres Lebens?
Ja und nein. Ich denke, dass es extrem wichtig ist, mit einem Glauben und einem Verständnis für Werte aufgewachsen zu sein, denn das prägt den Charakter eines Menschen und macht ihn zu dem, was er ist. Aber man muss nicht unbedingt eine Religion ausüben, wenn man diese Werte vermittelt bekommt und in der Lage ist, sie in seinem Leben zu verwirklichen. Ich denke, das ist das Positive an der Religion, dass nicht alle zusammen beten, sondern dass sie einen als Person ausmacht.
Meditieren Sie manchmal oder haben Sie sonst Rituale?
Ich meditiere nicht wirklich, aber ich spreche mit meiner Familie, meinem Agenten und meiner Ehefrau über meine Probleme. Ich behalte eigentlich nie etwas für mich, ich glaube, so ist es viel einfacher. Vor einem Auftritt nehme ich gerne ein schönes warmes Bad, atme den Dampf ein, aber meistens tue ich einfach nichts und spare buchstäblich meine Energie. In der Nacht davor und am Tag vor dem Auftritt bin ich nicht erreichbar.
Ihre Stimmlage an der Manhattan School of Music war ursprünglich Bariton, doch Sie wechselten ins Tenorfach.
Ich war einer dieser Tenöre, die sich sehr spät entwickelt haben. Ein Tenor zu sein bedeutet viel mehr Arbeit, man singt in einer unnatürlichen Stimmlage und muss diese in eine natürliche Stimmlage überführen, ohne dass die Leute den Unterschied bemerken. Es erfordert eine Menge Technik und Können, als Tenorstimme zu singen. Und ich war noch nicht so weit. Viele Leute haben in jungen Jahren das Talent, Tenor zu sein, aber dann entwickelt sich ihre Stimme und verändert sich.
Ich habe in vielen Clubs aufgelegt, meistens unterschiedliche Stile, aber hauptsächlich Techno und House, also elektronische Musik.
Sie haben in Manhattan als DJ aufgelegt. In welchem Club war das und welche Musik haben Sie gespielt?
Ich habe in vielen Clubs aufgelegt, meistens unterschiedliche Stile, aber hauptsächlich Techno und House, also elektronische Musik. Manchmal sagten die Clubs, wir haben Leute, die mehr Hip-Hop und RnB wollen, da muss man bei solchen Jobs vielseitig sein.
Sie haben auch als Kellner gejobbt. Ist es wichtig, auch normale Jobs zu machen, um zu wissen, wie hart es sein kann, sein Geld zu verdienen?
Auf jeden Fall. Meine Eltern haben das sehr gut mit mir gemacht, sie haben mich dazu gebracht, jeden Dollar selbst zu verdienen, den ich jemals ausgeben wollte. Und sie haben mir beigebracht, was ein harter Arbeitstag ist.
Was brachte den Durchbruch in Ihrer Karriere?
Ich hatte zwei große Durchbrüche. Der erste war, als ich 2018 für Piotr Beczala beim Tanglewood Music Festival als Rudolfo in „La Bohème” eingesprungen bin, da haben die Leute angefangen, meinen Namen zu hören. Es war ein Erfolg, ich hatte Glück. Es war wie der Super Bowl: nur ein einziger Auftritt, eine Chance, aber ich habe es geschafft und viele gute Kritiken bekommen. Das hat mir die Türen für vieles geöffnet. Und der zweite große Durchbruch war in „Francesca da Rimini“ im März 2021 an der Deutschen Oper Berlin, das durch Covid im Fernsehen ausgestrahlt wurde und das die Leute der Deutschen Grammophon (führendes Klassik-Musiklabel weltweit) gesehen haben. Ich bekam einen Exklusivvertrag.
Die „New York Times“ schrieb über Sie: „Der Typ ist ein totaler Star.“ Was ist ein Star für Sie?
Wenn ich von einem Star spreche, muss ich sagen, dass er natürlich eine großartige Stimme und eine wunderbare Musikalität haben muss, aber auch die Fähigkeit, auf der Bühne zu stehen, sei es durch sein Aussehen oder das Schauspiel. Und die andere Sache ist der Drang, immer das Beste aus sich herauszuholen. Ich denke, das ist der dritte Teil dieser Starqualität.
Ihre Fans weltweit sind extrem euphorisch, viele sehen Sie als den „nächsten Domingo“. Wie gehen Sie damit um, ohne abzuheben?
Wie mein Lehrer sagte: Wenn man an das Gute glauben will, muss man auch an das Schlechte glauben. Man muss sich selbst gegenüber sehr kritisch sein, man muss ein kritisches Ohr und einen kritischen Blick auf seine Karriere und seinen Gesang haben.
Wie ist es für Sie, mit Plácido Domingo auf einer Bühne zu stehen wie in Verdis „I due Foscari“ in Florenz?
Dieser Mann hat eine ganz besondere Aura. Als wir das erste Mal eine Generalprobe machten und er stand plötzlich neben mir, hörte ich seine Stimme direkt in meinem Kopf, es war faszinierend. In seinem Alter und mit dem, was er kann, glaube ich nicht, dass ein anderer Opernsänger jemals dazu in der Lage sein wird.
Ich liebe die Qualität von Pavarottis Stimme, seine Leichtigkeit, aber musikalisch denke ich, dass Domingo an der Spitze ist. Niemand kann ihm musikalisch das Wasser reichen.
Domingo, Pavarotti und Carreras galten lange Zeit als die größten Tenöre der Welt. Wenn Sie eine Nummer 1 auswählen müssten, wer wäre das?
Das kann ich nicht sagen, sie sind alle auf unterschiedliche Weise erstaunlich. Ich liebe die Qualität von Pavarottis Stimme, ich liebe seine Leichtigkeit, aber musikalisch denke ich, dass Domingo an der Spitze ist. Niemand kann ihm musikalisch das Wasser reichen. Und Carreras hat das ganze Repertoire gesungen und Dinge, die andere nicht so gut singen konnten.
Muss sich heute ein Opernsänger wie ein Popstar auch über Social Media promoten und seine eigene Community aufbauen? Ist der Mechanismus ähnlich wie in der Popwelt?
Ja, ist es. Jedoch wird in der Popmusik heute meist gestreamt. Es handelt sich also nur um eine vorübergehende Nutzung, man muss Musik produzieren, die die Leute streamen wollen. Bei uns ist das anders, da gibt es noch CD-Käufer. Aber die meisten Leute wollen einfach keine Alben mehr mit sich herumtragen, sie wollen ihre Musik immer griffbereit haben.
Sie sind Vater geworden. Wie hat Ihre einjährige Tochter Caira Ihr Leben verändert?
Es ist ein unglaubliches Gefühl, ein Kind zu haben. Es ist einfach magisch, sie zu halten und sich um sie zu kümmern, sie zum Lachen zu bringen und Zeit mit ihr zu verbringen. Ich habe großes Glück, dass ich ein so liebenswertes, unkompliziertes, süßes Kind bekommen habe. Sie liebt es, mit uns zu reisen. Sie hat bereits fünf Länder mit uns bereist.
Wenn Sie nicht auf Reisen sind, wo leben Sie dann? In Bukarest, von wo die Familie Ihrer Frau Andreea stammt, oder in den Vereinigten Staaten?
Während der Pandemie habe ich eigentlich immer dort gelebt, wo ich gerade gearbeitet habe. Dieses Jahr wird es etwas einfacher werden. Aber ich habe meine Wohnung noch in New York und Andreeas Familie hat ein Haus außerhalb von Bukarest. Doch unser endgültiger Umzug dieses oder nächstes Jahr wird nach Berlin sein. Für Andreeas Familie ist es zentral, um zu uns zu kommen, für meine Familie, um nach Europa zu kommen, und für meine Arbeit ist es mit dem neuen Flughafen ein gutes Drehkreuz. Es ist auch eine Weltstadt, was unser Kriterium ist, und Deutschland hat gute Schulen. Also ideal für uns.