Früher CIA-Agentin im Kriegsgebiet, jetzt Vorstandsvorsitzende einer Friedensorganisation:
Welcher Schritt war ungewöhnlicher für Sie?
Mein Großvater war in der Armee, mein Vater in der Luftwaffe und mein Bruder in der Marine. Es gab also sicherlich schon immer einen Sinn für diese Art von Dienst. Mein anderer Bruder hatte jedoch besondere Bedürfnisse. Er war nicht in der Lage zu sprechen, war schwer geistig behindert und autistisch.
Die Hälfte der Zeit war es mir als Kind wahnsinnig peinlich, mit ihm unterwegs zu sein, die andere Zeit war ich ihm gegenüber extrem beschützend. Er war so rein und unschuldig und ich wünschte mir, dass die Menschen das erkennen. Beides kombiniert, prägte wohl mein Leben.
Fünf Jahre haben Sie bei der CIA gearbeitet. Wie begann Ihr Weg als Agentin?
Es war die erste Stufe in meiner Karriereleiter. Ich habe Internationale Politik in Stanford studiert und bin daher viel gereist. Auf der Universität kamen ständig Recruiter vorbei und einer sagte: „Stellen Sie sich vor, Sie schreiben nicht nur für Ihren Professor oder Ihre Kommilitonen, sondern für den Präsidenten und das Kabinett!“ Die CIA waren die Leute, die am besten Bescheid wussten, was in der Welt vor sich ging und hatten den direkten Zugang zu geheimen Informationen. Die Idee dieses reinen Zugangs zu dem, was in der Welt vor sich geht, hat mich wirklich angesprochen. Und ich liebte das Reisen.
Zu diesem Zeitpunkt war 9/11 allerdings noch nicht passiert.
Ich habe kurz vorher angefangen und war mitten im Training, als der Anschlag passierte. Nach 9/11 änderte sich alles. Ich ging von meiner Konzentration auf Afrika nach Afghanistan. Aber ich konnte nie dorthin reisen, und das war für mich ein großes Problem. Ich dachte mir: „Wie kann ich eine Afghanistan-Expertin sein, wenn ich noch nie in diesem Land war?“ Ich wollte so verzweifelt aus meiner kleinen Kabine heraus und vor Ort reisen, dass ich mich zu Beginn des Irak-Krieges freiwillig für 90 Tage meldete. Daraus wurden schlussendlich 21 Monate.
Im Kriegsgebiet zogen Sie mit den militärischen Einheiten mit und waren vor Ort beauftragt, Analysen über das gegnerische Verhalten zu erstellen. Wie war es für Sie, inmitten von Soldaten in einem männerdominierten Kriegsgebiet zu leben?
Ehrlich gesagt dachte ich im Alltag nie stark über diese Mann-Frau-Dynamik nach. Die Erfahrung im Irak hat es mir dann aber auf einmal doppelt gezeigt. Zum einen war die Militärstruktur sehr männerdominiert, und zum anderen war natürlich auch die arabische Kultur im Irak eine sehr männliche. Einmal ging ich mit einem meiner Kollegen durch die Kantine und er meinte: „Verdammt, jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt, ein Superstar zu sein!“ Auf meine Nachfrage meinte er: „Hast du nicht gesehen, wie dich alle anstarren?“ Und das nur, weil ich eine Frau war und einer der wenigen Menschen, die noch dazu keine Uniform trugen. Bei den irakischen Führern erinnere ich mich an einen sunnitischen Imam, der sich weigerte, mich zu treffen und mir die Hand zu schütteln. Ich entgegnete ihm: „Schade, dass Sie dann nie unsere Außenministerin kennenlernen werden!“ Das war ja zu diesem Zeitpunkt Condoleezza Rice. Er war regelrecht schockiert.
Ein Kollege ging mit mir durch die Militärkantine und meinte: „Jetzt Weiß ich, wie es sich anfühlt, ein Superstar zu sein.“