Er ist so gut wie an jedem bedeutenden Sozialprojekt in Japan beteiligt. Sitzt man Haruo Miyagi gegenüber, spürt man einen bescheidenen, zurückhaltenden Mann, der nur dann spricht, wenn er wirklich etwas zu sagen hat. Wenn er aber etwas sagt, hat es Hand und Fuß. Der jüngste Sohn eines Reisbauern und einer Supermarktverkäuferin war selbst noch an der Uni, als er 1993 in Tokio das Jungunternehmer-Netzwerk ETIC (Entrepreneurial Training for Innovativ Communities) gründete. Dem schmalen Japaner mit dem schüchternen Lächeln war es schon früh ein Anliegen, das unternehmerische Denken der japanischen Jugend zu fördern, denn im asiatischen Staat zählten gesellschaftliche Anpassung mehr als die Innovationskraft Einzelner. Miyagi aber ist ein Freigeist, ihm geht es vor allem darum, dass Menschen ihre Bestimmung leben und nicht einen vorgezeichneten Weg gehen müssen. 2.000 Jungunternehmer hatten bisher die Chance, an ETIC-Förderprogrammen teilzunehmen. Viele von ihnen sind zu Milliardären geworden und unterstützen jetzt die Projekte ihres Mentors. Wir sprachen mit dem Entrepreneur direkt nach dem ersten Urlaub seines Lebens.
Sie sind gerade von Ihrem ersten Urlaub seit 20 Jahren zurückgekommen. Wie war es, einmal zu entspannen?
Ich habe online gearbeitet, aber ich habe zumindest versucht, mir etwas Freizeit zu nehmen. Ja, ich habe mir zum ersten Mal Urlaub genommen, ich bin tatsächlich in Hawaii mit Delfinen geschwommen. Die ersten 20 Jahre, seit ich meine Organisation ETIC gegründet habe, habe ich 365 Tage im Jahr durchgearbeitet, seit vier Jahren nehme ich mir ab und zu ein paar Tage frei, diesmal war es sogar ein ganzer Urlaub – mein erster.
In Japan kennt Sie jeder, Sie gelten als der erfolgreichste Sozial-Unternehmer des Landes. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden, warum gerade Social Entrepreneurship?
In den 1990er-Jahren gab es überhaupt noch keine Sozial-Unternehmer. Eigentlich wollte jeder nur für große Unternehmen arbeiten oder für die Regierung, aber kaum jemand hat überhaupt daran gedacht, Unternehmer zu werden. Den Studenten war einfach nicht klar, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt und dass sie die Wahl hätten, auch Unternehmer zu werden. Mich hat das Leben des Unternehmers fasziniert, weil es ein freies Leben ist. Also habe ich Unternehmer gebeten, Vorträge auf den Unis zu halten, damit sie über ihr Leben und ihre Arbeit berichten. Das war die Initialzündung meiner Company. Als dann auch noch das Internet geboomt hat, war für viele der Weg zum Unternehmertum geebnet. Mir war es vor allem wichtig, dass die Menschen die Chance haben, sich für dieses Leben in Freiheit zu entscheiden. Dabei ist es mir nicht darum gegangen, dass man als Unternehmer viel Geld machen kann. Was mir in Japan aufgefallen ist: Viele Studenten bewarben sich, bevor sie mit ihrem Job begonnen haben, um Praktika bei Non-Profit-Organisationen, aber gleichzeitig waren sie noch nicht so weit, dass sie sich getraut hätten, wirklich für eine NGO zu arbeiten. Ihr Herz hätte eigentlich für eine Non-Profit-Organisation geschlagen oder eine Arbeit im Sozial-Bereich, aber der Mut hat gefehlt. Dafür muss man wissen, dass in der japanischen Gesellschaft Menschen verehrt werden, wenn sie sich sozial engagieren, viel mehr, als wenn man einfach nur arbeitet, um reich zu werden. Das war der Beginn von ETIC.
Warum ist Ihnen der soziale Aspekt, die Menschlichkeit so wichtig?
Mich haben immer Fragen beschäftigt wie „Warum begeben sich Menschen auf einen bestimmten Weg?“, „Welche Werte sind Ihnen wichtig?“ und „Warum sind sie ihnen wichtig?“. Ich will den Jugendlichen Werte mitgeben, mit ihnen philosophieren und diskutieren. Manchmal fühle ich mich wie ein Erzieher, der den junger Menschen Hoffnung gibt. Als ich aufgewachsen bin, war Japan gerade am wirtschaftlichen Aufstieg. Ich hatte gemerkt, dass sich die Werte meiner Generation im Vergleich zu denen meiner Eltern sehr verändert hatten. Mir persönlich war Geld nie wichtig, was mich interessiert hat war die Freiheit der Menschen. Geld war also nie unsere Motivation. Wir haben in den 1990ern so viele junge Unternehmer im IT-Bereich unterstützt. Jetzt sind viele von ihnen Milliardäre und ich bekomme plötzlich vieles zurück. Die Unternehmer, die ich damals unterstützt habe, sind reich geworden. Sie sind jetzt die Sponsoren meiner Projekte.
Mir persönlich war Geld nie wichtig, was mich interessiert hat, war die Freiheit der Menschen. Viele junge Unternehmer, die ich mit ETIC unterstützt habe, sind heute Milliardäre, und ich bekomme plötzlich vieles zurück.