Da stehen wir also in einem Kreis, Hand in Hand. Menschen, die ich davor noch nie zuvor gesehen hatte. Eine Mischung an Individuen, die ich so wahrscheinlich nie wieder treffen werde: vom indischen Individualisten bis zum Internetmilliardär. Seit einer Woche bin ich mit diesen rund vierzig ausgewählten Menschen in einem indischen Aschram. In den letzten Tagen hat sich zwischen den Teilnehmern eine unglaubliche Energie entwickelt. Wir haben gemeinsam gelacht, wir haben gemeinsam getanzt, wir haben gemeinsam meditiert, miteinander diskutiert, geweint und gemeinsam geschwiegen.
Jetzt, am letzten Tag werden wir uns noch auf den „Walk of Silence“ begeben. Ein wunderschöner, naturbelassener, kraftvoller Pfad, der mit heiligen Symbolen gepflastert ist. Schon zu Beginn des Ghandi 3.0 Retreat hatten wir als Begrüßungsritual diesen Weg der Stille beschritten.
Damals war ich noch zögerlich, während ich die anderen dabei beobachtete, wie und was sie taten. Heute, fünf Tage später, werden wir das Retreat mit diesem Ritual abschließen, so wie wir es begonnen hatten. In Stille.
Wir haben gemeinsam gelacht, wir haben gemeinsam getanzt, wir haben gemeinsam meditiert, miteinander diskutiert, geweint und gemeinsam geschwiegen.
Der Sanftmut, die Verbundenheit, die Hilfsbereitschaft, die schonungslose Offenheit der Teilnehmer, die bedingungslose Liebe, die wir von Fremden erlebt hatten, der achtsame Umgang der Menschen miteinander, der Respekt und das Erleben von Tagen in wahrem Bewusstsein haben mein Innerstes tief berührt. Mein Herz ist weit offen und ich bin bereit, mich dem „Walk of Silence“ hinzugeben. Diesmal werden wir den Weg so gehen, wie der amerikanisch-chinesisch-buddhistische Mönch Reverend Heng Sure. Er war zwei Jahre und neun Monate lang quer durch Kalifornien gepilgert. Drei Schritte und eine tiefe Verbeugung, mit den Knien am Boden, die Handflächen Richtung Himmel gerichtet.
Zugang zu allem, was in mir ist. Meine ersten Schritte sind auch diesmal etwas unbeholfen, ich bin mit dem Gedanken beschäftigt, nicht auf jene Steine zu treten, die mit weisen Botschaften beschriftet sind. Messages, die zum Nachdenken anregen, die aufrütteln und dich mit Bewusstsein impfen. Wer war ich? Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Was kann ich tun, um die zu sein, die ich sein möchte? Ich bin so unendlich dankbar hier sein und erkennen zu dürfen, dass der Weg für mich ein anderer sein wird als er bisher war. Ich will Zugang zu allem, was in mir ist, erlangen. Ich will sein und mich nicht vom ständigen Tun ablenken lassen. Ich will jene Ersatzhandlungen streichen, die mich verführen, um mich nicht mit dem wahren Kern beschäftigen zu müssen. Zufriedenheit erlangen, Dankbarkeit spüren, Demut beweisen, Bewusstsein leben. So vieles möchte ich. Plötzlich kann ich mich nicht mehr halten. Meine Augen werden feucht, die Tränen laufen mir über die Wangen. Die Stille und die mantraartige Bewegungsabfolge machen mir immer stärker bewusst, wie viel Gelegenheiten ich in meinem Leben verpasst hatte, die zu sein, die ich eigentlich bin und die ich sein möchte. Ich bin so unendlich traurig ob dieser vielen Momente. Es tut weh, es zwingt mich in die Knie, es zwingt mich in eine Verbeugung vor, nennen wir es Gott, der Welt und mir. Der Schmerz trifft mich wie eine Keule.