Aber der Erfolg hat sich eingestellt. Die Erfolgswelle als Regisseurin kam zeitgleich mit der Trennung von Ihrem Mann, Drehbuchautor, Produzent und Regisseur David Schalko. Ich kann mir vorstellen, dass es da Momente gegeben hat, die Sie innerlich zerrissen haben.
Tatsächlich habe ich unerwarteterweise von der Scheidung erfahren, in dem Moment, als der Film released wurde. Das war letzten September, als ich gerade die Kinder übergeben wollte, nachdem David einen langen Dreh absolviert hatte. Es ging alles innerhalb von Wochen.
Ich habe gleichzeitig Wohnung gesucht und die Scheidung durchgezogen. An meinem letzten Hochzeitstag, dem 27. September 2020, stand ich in Zürich auf der Bühne und habe den Preis „Das goldene Auge“ bekommen für „Hochwald“. Als Begleitperson hatte ich noch David Schalko angeführt und alle haben gejubelt. Ich habe mir damals gedacht: „Vielleicht ist es besser, diesen Weg jetzt alleine zu gehen und da aus jeder Art von Schatten aus dem vorigen Leben herauszutreten, um ins Licht zu kommen.
In der Tat bin ich mir manchmal nicht ganz sicher, was unser wirklicher Scheidungsgrund ist. Es ist wissenschaftlich erwiesen, was Traumen im Unterbewussten machen und wie viele Krankheiten letztlich auf psychische Traumen zurückzuführen sind.
Haben Sie das Gefühl, dass erst durch die Trennung Platz gemacht worden ist für Ihren Erfolg?
In der Tat bin ich mir manchmal nicht ganz sicher, was unser wirklicher Scheidungsgrund ist. Aber was für mich deutlich spürbar wurde, ist: Mit einem Künstler, noch dazu mit einem Universal-Künstler wie meinem Ex-Mann zusammen zu sein, der verschiedene Berufe gleichzeitig macht, und dann auch noch zwei Kinder großzuziehen, da bleibt wenig Raum. Also man kann sich gut austauschen, man kann wunderbar supporten, aber der Raum für die eigene Kreativität wird oft erstickt.
In Ihrem Film geht es viel um seelische Verletzungen. Oft ist es ja so, dass sich Unverarbeitetes im Unterbewusstsein festsetzt und dann viel später als Krankheit an die Oberfläche kommt. Hat das auch etwas Autobiografisches?
Es ist wissenschaftlich erwiesen, was Traumen im Unterbewussten machen und wie viele Krankheiten letztlich auf psychische Traumen zurückzuführen sind. Die Erfahrungen, die ich machen musste, waren diverse Frauen-Krankheiten. Interessanterweise waren es bei mir immer auf die Weiblichkeit gezielte Krankheiten. Zum einen hatte ich Gebärmutterhalskrebs, dann auch noch Brustkrebs. Und dann überlegt man sich halt schon: Wo in meinem Körper muss ich meine Psyche besser connecten? Wo muss ich genauer hinschauen, was in mir los ist? Und wenn es immer die gleichen Organe trifft, dann ist es naheliegend, dass man an seiner Weiblichkeit vielleicht etwas zu arbeiten hat. Was ich am meisten gelernt habe in meinem Leben, ist: „Pflege und hege deine Psyche, so gut du nur kannst!“
Warum glauben Sie, dass es immer Ihre Weiblichkeit getroffen hat? Hatten Sie denn Probleme mit Ihrer Weiblichkeit?
Interessanterweise hatte ich immer das Gefühl, dass ich, obwohl ich eine Frau bin, alles stemme wie ein Mann. Ich habe auch oft das Gefühl gehabt, dass ich sehr viele männliche Anteile in mir habe, obwohl ich so klein und zart und sehr weiblich bin. Ich frage mich energetisch, wo es angebracht wäre, etwas von den männlichen Anlagen zu reduzieren und weibliche Anlagen hervorzuheben.
Ihr Film spielt in den Bergen in Südtirol, dort wo Sie auch herkommen und wo Sie in einer Großfamilie aufgewachsen sind. War das denn eine Welt, in der Sie sich wohl gefühlt haben oder war es eher Befreiung, von dort wegzugehen?
Es ist nicht leicht, mit Bergen vor der Nase aufzuwachsen. Zumal vor allem, wenn man ein neugieriger Mensch ist wie ich. Ich hatte immer das Gefühl, ich muss über den Berg hinausschauen und durch meine künstlerischen Begabungen, ich wollte ja auch mal Schriftstellerin werden, war ich einfach neugierig und wollte raus aus diesem Talkessel, natürlich wollte ich der Enge entfliehen. Aber diese Enge hat mir ja nichts Böses gemacht. Die Enge war auch Geborgenheit.
Ihr Film hat mich noch im Nachhinein sehr beschäftigt, weil die Schwere und Enge dieses Dorflebens zu spüren war. Ist „Hochwald“ ein moderner Heimatfilm oder doch eher ein moderner Anti-Heimatfilm?
Für mich persönlich ist es tatsächlich nur ein Heimatfilm. Ich staune, aber begrüße auch die vielen Rezensionen, die über einen Anti-Heimatfilm schreiben. Ich finde das ganz spannend, dass offenbar sehr viele Leute ein Problem mit Heimat haben. Das ist jetzt wieder so was Österreichisches. Weil ich aus Südtirol komme, ist mir die Frage „Was ist Heimat?“, ja schon fast in die Wiege gelegt worden. Ich glaube, dass viele Angst haben, einfach das Wort Heimat oder Heimatfilm zu benutzen und deshalb einfach ein „Anti“ draufsetzen müssen.
Es ist Ihnen wahnsinnig gut gelungen, die Gefühlsebene Ihres gebrochenen Hauptdarstellers darzustellen. Glauben Sie, weil Sie eine Frau sind?
Davon bin ich überzeugt. Nachdem ich sehr viel mit Männern gearbeitet habe, kann ich das sagen. Ich habe sehr, sehr viel Gefühl und Herz in all die Arbeiten gesteckt, bevor ich den Film gemacht habe. Wenn wir Frauen und Männer nebeneinanderstehen und unsere gegenseitigen Qualitäten zusammenwerfen würden, dann wäre diese Welt eine großartige. Ich habe Männer immer bewundert, z. B. die Wikinger, die sich einfach in eine Nussschale setzten und ein Segel spannten. So was würde ich mich nicht trauen. Vielleicht, weil ich eine Frau bin, aber ich denke mal, das könnte ich mir abschauen. Vielleicht traue ich mich dann ja und vielleicht würde ein Mann, wenn er seiner Frau zuhört, auch genügend Proviant mitnehmen, um nicht am Meer zu verrecken.