Kunst und Design haben viele Gemeinsamkeiten. Das MusikTheater an der Wien wurde komplett renoviert. Die Möbel von Roche Bobois sind ein sichtbares Zeichen dafür. Wie kam es dazu?
Guillaume Demulier: Wir arbeiten in Wien mit der Familie Delmas zusammen, einem wunderbaren und engen Partner seit mehr als 15 Jahren. Sie haben das eingefädelt. Wir sind mit Roche Bobois in 54 Ländern vertreten und es ist äußerst wichtig für uns, eine globale Zusammenarbeit mit Kunstinstitutionen wie mit dem MusikTheater an der Wien einzugehen, um so nah wie möglich an unseren Kunden und an den Orten zu sein, an denen sie zu finden sind. Wir sind zum Beispiel auch Partner der Art Basel.
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Wie wichtig ist Design in einem Theater, Herr Herheim?
Stefan Herheim: Design ist alles. Im Leben geht es darum, wie wir uns fühlen. Wer bin ich? In welchem Lebensraum, in welcher Umgebung fühle ich mich wohl? Welche Dinge inspirieren mich? Was bringt mich in Kommunikation mit anderen Menschen? In dieser Hinsicht sehe ich uns eigentlich in der gleichen Branche, denn es geht darum, das Leben zu verstehen oder eine Vision für das Leben zu haben und Menschen eine gute Zeit zu schaffen. Das Leben ist kurz. Es geht darum, im Hier und Jetzt zusammenzukommen und seine Kräfte zu bündeln. Das ist es, was das Leben lebenswert macht. In meinem Leben ist Musik alles, aber Musik ist auch Farbe und Form. Es ist ein Gefühl. Es geht um Streben. Es geht auch um Ruhe. Als mir angeboten wurde, einen Platz, eine Ecke in meinem Büro mit einem Stück aus der Kollektion von Roche Bobois zu gestalten, wo ich diese sehr kostbaren Momente der Ruhe finden kann, um mich wieder an den Punkt zu bringen, um eine Inspiration für andere Menschen sein zu können, fand ich das wunderbar.
Sie haben die Leitung des Theaters 2022/23 übernommen, ein Haus mit großer Geschichte: Beethoven, Strauss, Lehár haben hier gearbeitet. Für Sie durchaus Neuland?
Herheim: Tatsächlich ist dies mein erster Managementjob überhaupt. Ich habe mein ganzes Leben lang als freiberuflicher Regisseur gearbeitet. Es war ein großer Schritt, diese Verantwortung zu übernehmen. Dieses Haus ist etwas ganz Besonderes, weil es traditionell ein Ort ist, an dem Innovation immer im Mittelpunkt stand und in den Fokus der künstlerischen Arbeit gerückt wurde. Es ist eine der wichtigsten Stationen für die Entwicklung des Musiktheaters. Schikaneder, der das Haus gegründet hat, war ein enger Partner Mozarts, der die ganze Welt durch Musik neu erfunden hat. Dieses Haus ist sehr stark im europäischen Geist der Aufklärung verwurzelt, und gleichzeitig ist es sehr experimentell. Wien war schon immer eine Stadt, die gefangen zu sein scheint in einem scheinbaren Widerspruch von Innovation und Tradition. Ohne zu wissen, woher man kommt, weiß man nicht, wohin man geht. Deshalb habe ich auch das Theater in MusikTheater an der Wien umbenannt, weil ich zeigen möchte, welch große Tradition dieses Haus hat, um mit dem Kerngedanken des Musiktheaters, bei dem es um den Herzschlag der Menschen geht, ganz neue Wege zu gehen.
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Roche Bobois hat seinen Sitz in Paris, Sie haben die „Meistersinger“ 2015 an der Opera Bastille inszeniert. Vergleicht man Wien und Paris, was sind Gemeinsamkeiten, was Unterschiede?
Herheim: Historisch gesehen gab es mit Paris und Wien immer die beiden Pole, West und Ost, sozusagen die Ränder, die Europa sehr unterschiedlich definiert haben. Paris hat die Operette erneuert. Sie kam mit Jacques Offenbach. Er war eigentlich aus Deutschland, kam nach Wien, wo die Wiener Tradition die Oberhand gewann. Es gab einen sehr exquisiten Austausch von Ideen, von Visionen in einer Zeit, in der sich die Menschen von alten Zwängen befreit haben, nicht nur zwischen Künstlern, sondern auch zwischen Wissenschaftlern, Intellektuellen, Schriftstellern, so dass man nicht in ein Museum in Wien gehen konnte, ohne das Gefühl zu haben, gleichzeitig in Paris zu sein.
Demulier: Ich würde sagen, dass es sowohl in Paris als auch in Wien um den Blick von außen geht. Es sind beides Städte mit historischer Architektur und einer Menge fantastischer Orte. Diese ganze Atmosphäre in Paris ist etwas sehr Starkes, man spürt sie auch in Wien.
Ob die Architektur des MusikTheaters oder die Möbel von Roche Bobois: Was macht gutes Design aus?
Demulier: Gutes Design ist in erster Linie Kreativität, es bringt neue Dinge hervor. Es überrascht. Es bringt Farben,
0die Freude machen. Das ist etwas sehr Wichtiges für uns, diesen „kleinen Schock“ zu verursachen. Ein großer Schock im Design ist gut, ist aber eher etwas für Museen und Theater. Auch hier wollen wir uns in das Zuhause unserer Kunden, der Menschen begeben. Wir wollen Ideen umsetzen und sie für ihr Leben nutzbar machen. Ein gutes Design bedeutet für mich, Kreativität in das reale Leben zu bringen. Das bedeutet auch, Komfort zu bieten. Das ist der Geist und die DNA dessen, wofür wir stehen.
Herheim: Design ist eine Kunstform an sich, diese Perspektive auf das Leben zu haben. Wir repräsentieren uns selbst. Wir können mächtig sein, wir können Erfolg haben, aber es ist das Langweiligste, isoliert zu sein. In der Einsamkeit geht es darum, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Das ist die Kunst des Lebens. Auch in einem Haus wie diesem geht es um Kunsthandwerk, es geht um die Fähigkeit, aus einer Vision heraus etwas Stabiles zu schaffen, das tatsächlich Komfort und Qualität bieten kann.
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Österreich-Chefs Doris (2.v.l.) und Alexandre (2.v.r.) Delmas und Architektin Jacqueline Hopfer (g.l.)"
Roche Bobois hat mehr als 330 Filialen in 54 Ländern der Welt. Was waren 2019 Ihre Ziele, als Sie CEO wurden?
Demulier: Unsere Absicht war ganz klar, Roche Bobois zum einzigen Marktführer für High-end-Möbel in der Welt zu machen. Wir sind in einer fantastischen Situation. Es ist sehr, sehr ungewöhnlich, dass wir keinen globalen Konkurrenten haben, niemand ist so wie wir in einem High-end-Segment in 54 Ländern vertreten und hat Volumen, also hohe Absatzzahlen. Wir sind der High-end-Anbieter für Menschen, die in etwas investieren wollen, das lange hält und Kreativität in ihr Zuhause bringt. Ein großes Ziel war es, unsere Präsenz weltweit zu erhöhen. In den USA machen wir mehr als 35 Prozent unseres Umsatzes. Wir sind die Nummer zwei aus Europa in den USA. Das ist unglaublich. Die Nummer eins ist IKEA, aber wir sind die Nummer zwei.
Herheim: In gewisser Hinsicht ist es tatsächlich vergleichbar, denn es geht darum, eine gewisse Stabilität und eine Marke zu schaffen. Eine Marke zu etablieren, die in diesem Fall natürlich auf der Tradition des Hauses beruht. Einen Rahmen zu finden, in dem sich das Publikum wohlfühlt und sich irgendwie auch darauf verlassen kann, dass die Qualität unseres Programms in sehr unterschiedliche Richtungen geht. Ich habe gerade wieder angefangen, Operette zu spielen. Das Theater an der Wien war ein traditionelles Operettenhaus, doch das hat man hier seit 20 Jahren nicht mehr gemacht.
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Ruhesofa)"
Was inspiriert Sie?
Herheim: Die Musik. Musik ist so vieles. Sie ist nicht nur Klang. Sie braucht eine Menge Platz. Sie braucht viele Menschen, sie braucht Räume wie diesen, aber eigentlich findet sie in dir selbst statt: Diese Räume zu öffnen und emotional mit anderen Menschen zu teilen, wie wir es in der Tradition eines Hauses wie diesem tun, unter neuen Bedingungen, die hier und jetzt relevant sind, und uns direkt mit uns selbst zu konfrontieren, die wir auch eine Menge Probleme in einer komplizierten Welt zu bewältigen haben. Die Musik gibt uns die Kraft, zu lernen, einander unter völlig neuen Bedingungen zuzuhören. Ich denke, das ist eine Kernfrage, wenn es darum geht, die immensen Probleme zu lösen, die wir als globale Welt in dieser Zeit haben.
Demulier: Roche Bobois ist ein extrem großes, stabiles, schönes Ökosystem. Wir haben seit Jahrzehnten Partner wie die Familie Delmas in Wien. Wir brauchen das natürlich, um zu wachsen, aber auch um die richtige Inspiration zu haben. Das ist das Herzstück von allem.
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