Zu Hause in Dharamsala
Es war bei ihm zu Hause in Dharamsala, am Rande eines Friedensdialoges, wo ich eine Woche in McLeod Ganj verbrachte, als ich ihm die alles entscheidende Frage stellte. Schließlich kannten wir einander schon so lange, dass es an der Zeit war: „Nach all den Jahren, Eure Heiligkeit“, sagte ich und nippte an meinem grünen Tee, „wäre es nicht an der Zeit, dass Sie mich heiraten?“
Er brüllte laut auf vor Lachen. Dann sah er mich an und sagte: „Betty, ich glaube, ich brauche eine etwas Jüngere!“ Einige Monate später sahen wir einander bei einem Treffen der Friedensnobelpreisträger in Rom wieder, an dem auch Michail Gorbatschow teilnahm. Ich nahm damals meine Tochter Deborah mit, die fast 1,80 Meter groß ist, und sagte zu ihm: „Eure Heiligkeit, ich bringe euch eine etwas Jüngere mit.“ Er sah sie an, schüttelte den Kopf und sagte nur: „Die ist zu groß!“ Noch heute lachen wir über diese Szenen, wenn wir einander sehen.
Kindliche Leichtigkeit. Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, und ich kennen einander mehr als 30 Jahre. Was mich jedes Mal an ihm fasziniert, ist sein Humor, diese fast kindliche Leichtigkeit. Man könnte niemals soche Scherze mit dem Papst machen. Der Dalai Lama aber ist ein witziger, origineller Mensch, der jeden zum Lachen bringen kann. Er ist glücklich in einer Weise, wie wir es wohl alle gern wären. Und er ist wirklich charmant, wenn auch auf seine spezielle Art.
Ich wusste, bis ich ihn traf, nicht, was reine, echte Liebe ist. Aber das ist es, was uns verbindet. Ich liebe den Dalai Lama. ich bin gesegnet mit unserer Freundschaft und dem Vertrauen zwischen uns. Ich bitte ihn nie um etwas außer um seinen Rat.
Erstes Treffen im Urwald. Wir lernten einander Anfang der 1980er-Jahre in Afrika kennen. Ich hatte eine Freundin in Washington, die die Kampagne zur Befreiung von Aung San Suu Kyi leitete (Anm.: Friedensnobelpreisträgerin, die während der Militärregierung in Myanmar 15 Jahre unter Hausarrest stand) und zuvor auch die Kampagne für ein freies Tibet organisierte. Sie brachte mich mit ihm zusammen. Der Dalai Lama und ich trafen einander im Albert Schweitzer Zentrum in Lambaréné, Gabun, jenem Spital, das Schweitzer im afrikanischen Urwald für die Ärmsten der Armen gründete und das 1981 wiedereröffnet wurde. Ich sah ihn zum ersten Mal im Hotel, und ich war sehr nervös. Doch wir verstanden uns von der ersten Sekunde an, als würden wir einander schon ewig kennen. Wir sahen uns mehrfach in diesen Tagen, die die Veranstaltung dauerte, und sprachen stundenlang miteinander.
Die Freundschaft wächst. Wir begannen einander danach Briefe zu schreiben – damals gab es noch keine E-Mails –, und die Korrespondenz bekam eine Regelmäßigkeit. Wir sahen einander schließlich zwei-, dreimal pro Jahr an den verschiedensten Plätzen der Welt. Da wir beide Träger des Friedensnobelpreises sind, werden wir auch immer wieder gemeinsam zu Veranstaltungen eingeladen. So wuchs über die Jahre auch unsere Freundschaft.
Ich kenne kaum Menschen, die so weise sind wie er. Stellen Sie sich vor, unsere Welt würde von Menschen wie dem Dalai Lama regiert werden. Es gäbe keine Kriege, keinen Hass. Wie schön könnte unsere Welt sein mit politischen Führern wie ihn!