Sie sind mit 30 Jahren in das Silicon Valley gegangen. Wenn Sie das Valley von damals – Mitte der 1980er-Jahre – mit heute vergleichen, was hat sich verändert?
Die Intensität und der Verkehr. Es gab weniger Firmen, aber schon sehr viele Start-ups. Das ist gleich geblieben. Mega-Firmen wie Facebook oder Google gab es noch nicht. Hewlett-Packard, Intel und Oracle waren einige der größten damals, es war gerade der Beginn der Software-Revolution.
Sie haben bei Hewlett- Packard begonnen und sind dann zu NeXT gewechselt. Was haben Sie von Steve Jobs gelernt, der sicher brillant in der Arbeit war, aber menschlich auch seine Defizite hatte.
Steve war sicher ein Genie und hatte auch seine Schattenseiten – wie jeder Mensch. Wenn man so präsent ist, dann sehen viele auch die Schattenseiten ein bisschen größer, als sie vielleicht sind. Steve hat mit uns Ingenieuren immer eine sehr korrekte und symbiotisch abhängige Beziehung gehabt. Deswegen, weil er ja kein Ingenieur war. Er hat nicht gewusst, wie seine Ideen umsetzbar sind. Er hat kein Gefühl dafür gehabt, ob etwas bereits machbar ist oder nicht, und hat uns dazu gebraucht. Und wir haben seinen Design-Genius erkannt und anerkannt. Das heißt, wir haben ihn nicht hinterfragt, wenn er sagte: „Das sollten wir eigentlich noch so machen“. Und er hat uns nicht hinterfragt, warum etwas noch nicht geht. So sind wir als Team sehr gut gewesen, haben die Produkte gebaut, die er sich vorgestellt hat und die wir, glaube ich, mit größter Innovationskraft implementieren konnten. Ich war damals als Entwicklungschef für das gesamte Betriebssystem zuständig (Anm.: daraus wurde später bei Apple OS X). Als einmal ein großer Release fällig war, kam Steve in mein Büro, schaute sich das an und sagte: „Hey, Charly, zeig mal, wie das ausschaut.“ Und mit einer Akribie, das ist mir heute noch total im Kopf, hat er sich genau auf jene zwei Sachen konzentriert, die nicht perfekt waren. Steve meinte: „Das sollen wir jetzt so an die Menschheit schicken? Nein. Das ist nicht nur nicht gut genug: It sucks“. Und so bin ich zurückgegangen und habe noch mal zwei Monate am Produkt gearbeitet. Wir haben es dann gelauncht und das war natürlich einer der schönsten Releases, die es gab. Das ist nicht mir allein zuzuschreiben, sondern der Symbiose zwischen meinem Team und ihm. Mittelmäßigkeit war keine Option für Steve, das hat er nicht toleriert und auch alle spüren lassen.
Sie waren insgesamt 15 Jahre im Herzen des Valleys. Wie hat Sie diese Zeit geprägt?
Ich habe es genossen, ganz vorne dabei zu sein. Jedoch war ich damals unkritisch gegenüber dem Kapitalismus, der das Silicon Valley antreibt. Auch unkritisch gegenüber der Diversität und unserer Verantwortung als Manager, da mehr aktiv beizutragen. Das ist heute anders. Damals hat uns einfach das Bewusstsein gefehlt.
Wie weit wird künstliche Intelligenz unser Leben verändern?
Ich war mit DataMind eigentlich ganz vorne dran an der damaligen Implementierung von künstlicher Intelligenz. Auch mit neuronalen Netzwerken und mit Technologie, die im Wesentlichen auch heute noch verwendet wird. Nur ist die Hardware heute 15.000 Mal schneller als damals vor 28 Jahren. AI (Artificial Intelligence) ist eine sehr mächtige Technologie, die versteht, wie das menschliche Unterbewusstsein und Bewusstsein auf Anreize reagiert, und die auch dazu benutzt werden, uns zu manipulieren. Man sieht anhand von Technologien wie ChatGPT, wie powerful die heutige Generation von künstlicher Intelligenz geworden ist. Aber dieses Modell erstellt nur Wahrscheinlichkeiten in Bezug darauf, was das nächste Wort sein soll, das jetzt ausgespuckt wird, also hat noch wenig Kontext und keine Zukunftsinterpretation. Das heißt, die Kreativität auf der menschlichen Ebene fehlt. Nicht auf der Ebene von repetitiven Überlegungen, von Analysen, wo die Daten schon da sind. Da ist die AI einfach besser. Man darf es aber auch nicht überbewerten. Vor allem dann, wenn es in Bezug auf die Unterschiede von Mensch und Maschine kommt, fehlt AI die ganze Bewusstseinsgeschichte, die wird sie nie haben. Mein Verständnis von Bewusstsein ist, dass es grenzenlos und zeitlos ist und dass wir daran forschen sollten, wie sich die materielle Welt aus diesem universellen Bewusstsein entwickelt hat, und nicht umgekehrt. Die Evolution hat über 15 Milliarden Jahre gebraucht, um dem Homo Sapiens zu ermöglichen, dieses universelle Bewusstsein zu erfahren und zu erfühlen. AI-Algorithmen werden in diesem Sinne nie ein Bewusstsein erlangen.
Das heißt, dass uns eigentlich AI nie gefährlich werden kann oder beherrschen wird?
AI – so wie jede andere Technologie – kann für positive wie auch für negative Zwecke verwendet werden. AI wird einerseits Leuten helfen, auch kreativen Leuten, kreativer zu sein, bessere Menschen zu sein. Und natürlich kann man AI auch benutzen, um besser Krieg zu führen. Das ist aber mit Mindfulness-Techniken genauso. Ob jemand meditiert, um ein besseres Leben zu führen oder um ein besserer Scharfschütze zu sein: Es funktioniert beides. Auch AI kann man für größere, schlechtere Taten benutzen. Es liegt nur an uns Menschen.
Haben Sie eine spirituelle Ader?
Schon während meiner Zeit im Silicon Valley habe ich das Bedürfnis verspürt, mich intensiver und tiefer mit Spiritualität auseinanderzusetzen. Das war ein Resultat von mehreren einschneidenden Erlebnissen in meinen jungen Jahren, wie zum Beispiel einer intensiven außerkörperlichen Erfahrung, wo ich persönlich erlebte, dass ich nicht mein Körper bin, da ich meinen Körper ja von außen beobachten konnte. Zu einem anderen Zeitpunkt kommunizierte ich mit meiner verstorbenen Großmutter. Diese Erfahrungen sind oft auf einer Ebene, wo Worte nicht genügen, um sie zu beschreiben. Ich weiß nicht, wie und warum die passieren. Das bleibt ein Geheimnis; unser Gehirn versteht das nicht. Was man sehr wohl über Achtsamkeits-Übungen – wie zum Beispiel Meditation, Yoga oder Naturerlebnisse – erfahren kann, sind die universellen Schwingungen, die universelle Einheit, die universelle Liebe und das sogenannte Channeling. Durch solche „Downloads“ kommt viel mehr in unser Bewusstsein, als unsere eigenen Gedanken formulieren könnten: Es erlaubt den Zugriff auf das universelle Bewusstsein. Ich könnte mir mein momentanes Leben ohne meine Achtsamkeits-Aktivitäten gar nicht mehr vorstellen, da ich dadurch auf was zugreifen kann, was viel größer ist als ich, was mir Führung und Klarheit gibt.
Was Sie gerade beschreiben, hört man immer wieder auch von Künstlern.
Ja, zum Beispiel von Komponisten und Malern, die davon berichten, wie sie sich ohne konkreten Plan an ihre Arbeit machen, wie sie eigentlich nicht wissen, wie sie anfangen könnten – und dann geht’s auf einmal. Hinterher fragen sie sich, woher das kam. Das ist ein unglaublich schöpferischer, kreativer Prozess. Ich habe gelernt, diesem Prozess und meiner Intuition mehr zu vertrauen, als wenn ich das nur mit meinen Gedanken geplant hätte.
Sie sagten in einem Interview: „Wir haben die Wahl für ein glückliches Leben.“ Hat man die, wenn man in einem Slum geboren wurde?
Wenn man brutale Erlebnisse durchleben muss, dann macht es was mit einem. Oder wenn man einen geliebten Menschen verliert. Da kommen wir nicht einfach darüber hinweg. Aber: Man kann sich definieren lassen durch die Angst vor dem Tod oder vielleicht durch die Dankbarkeit für das Leben, das man hat. Und die Wahl, die hat man. Man kann als armer Mensch leidend sein und sich durch die Armut definieren lassen. Oder man kann sich definieren lassen durch Achtsamkeit, sein Leben voranzutreiben, obwohl man nicht die Möglichkeiten hat, die reiche Leute haben. Reiche Leute sind meistens unglücklich. Ich kenne viele und habe ganz wenige reiche Leute gesehen, die glücklich sind. Innerlich glücklich.
„Das Schicksal der Menschheit ist der Mensch“ ist ein Zitat von Bertolt Brecht. Werden wir dem entkommen?
In unserem anthropozentrischen Zeitalter ist die Menschheit maßgeblich für die Zukunft unseres Planeten verantwortlich. Die Weltbevölkerung steht bei momentan über acht Milliarden Menschen, und wir nähern uns der 10-Milliarden-Grenze. Als ich geboren wurde, gab es etwas mehr als zweieinhalb Milliarden Menschen. Wir stehen am Anfang einer riesigen Transformation, wo wir viele unserer Systeme radikal ändern müssen, um auf einem Planeten mit limitierten Ressourcen allen Menschen ein erfülltes und glückliches Leben zu ermöglichen. Wir müssen die folgenden gravierenden Fehler unseres Finanz- und Wirtschaftssystems korrigieren, damit die globale Transformation in einer regenerativen Welt, und nicht in einem katastrophalen Kollaps endet: Unser Wirtschafts-System basiert auf ewigem exponentiellem Wachstum, das auf einem Planeten mit limitierten Ressourcen à la longue nicht gut gehen kann. Und unser Finanzsystem behandelt die negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen als sogenannte Externalitäten – ein absolut tödlicher Design-Fehler. Wir können diese Systeme ändern, falls wir den Mut und das Bewusstsein dazu aufbringen. Ich glaube, dass die Menschheit die Kapazität dafür hat. Falls wir das aber nicht zustande bringen, dann wird die Evolution nach dem Kollaps eine neue Menschheit entwickeln.
Wie kann man ein besserer Mensch werden?
Die beste Methode dafür sind Achtsamkeitsübungen, die einem nicht nur innere Kraft und Zuversicht geben, sondern auch die Verbindung zum universellen Bewusstsein ermöglichen. Ich meditiere regelmäßig und habe auch meine persönliche Yoga-Praxis. Ich glaube, dass unser Leben ein Ausdruck dessen ist, wer wir wirklich sind – auf der Ebene des Bewusstseins, nicht auf der Ebene der Gedanken oder Gefühle. So wie mein Leben ein Ausdruck meines Bewusstseins ist, ist die Zukunft der Menschheit ein Ausdruck des Bewusstseins der Menschheit. Das heißt: Wenn mehr Menschen ein Bewusstsein entwickeln würden, das nicht so anthropozentrisch, nicht so menschenbezogen ist, dann würden wir uns auch nicht mehr einbilden, was Besonderes zu sein, besser als alles andere zu sein, und außerhalb der Natur zu stehen. Wir könnten die Natur nicht so zerstören, wie wir das momentan machen, da wir wüssten, dass wir uns dadurch nur selbst schaden. Momentan schaut es mit dem Bewusstsein der Menschen nicht sehr positiv aus. Mein Lebensziel ist es, einen kleinen Beitrag zu leisten, das Bewusstsein der Menschheit zu hebeln. Dafür ist es notwendig, mein eigenes Bewusstsein, meine eigene Achtsamkeit zu stärken.
Aber lassen wir uns nicht von viel zu viel ablenken?
Ja. Das ist momentan die Schwäche der menschlichen Psyche. Man muss dezidiert dagegen arbeiten. Wenn man das lange genug macht, nicht für das eigene Ego, sondern zum Wohl der Menschheit, dann kann man beobachten, wie das Universum einen unterstützt, seine Ziele zu erreichen.
Sie sind Impact Investor. Was wollen Sie verändern?
Ich will damit Systeme verändern. Da alle schwierigen Probleme unserer Zeit systemische Probleme sind, hat sich innerhalb der letzten beiden Jahre ein Mini-Movement der Impact-Investing-Szene gebildet. Da geht es darum, wie man durch Investments Systemveränderung beeinflussen kann. Systemveränderung braucht mehr als Geld, sie braucht Philanthropie, Bewusstsein, Regulatorik, und Technologie. Ich habe dieses Movement mit-initiiert.
Zum American Way of Life: Wird der weiterhin global führend sein? Auch in Bezug auf Technologie?
Wir sind jetzt in einer bipolaren Welt, wo es nur mehr zwei globale Player gibt: die USA und China. Ich hätte mir gewünscht, dass Europa eine dritte Macht geworden wäre, um ein Gegengewicht zu bilden zur sehr unternehmerischen, auf Individuen konzentrierten Gesellschaft in Amerika und der staatlich kontrollierten in China. Europa will zwar alles regulieren, auch AI. Aber die Innovation auf diesem Gebiet kommt vor allem aus den USA und China.
Bewusstes Leben, Achtsamkeit – dazu braucht man eigentlich kein Geld. Macht Geld glücklicher?
Ich habe sehr viel mit wohlhabenden Menschen zu tun, da ich auch ein Netzwerk mitgegründet habe, das 600 Mitglieder hat, die ihr Vermögen positiv einsetzen wollen. Unhappiness ist bei Vermögenden sehr, sehr präsent. Vor allem bei Leuten, die etwas geerbt haben, gibt es sehr viel Schuldgefühl. Natürlich glaubt die Normalbevölkerung, dass reiche Erben alle glücklich sind. Sind sie aber nicht. Ich glaube, die einzige Möglichkeit, aus dem Dilemma herauszukommen, ist für siempact Investing. Wenn man die Grundbedürfnisse abdecken kann, dann kann man ein sehr glückliches Leben führen und vielleicht viel glücklicher, als wenn man reich ist.
Sie hatten vor einigen Jahren die Diagnose Krebs und mussten eine Chemotherapie machen. Wie war diese Zeit für Sie?
Ich bin vor fünf Jahren mit einer sehr krassen Art von Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert worden, wo meine Überlebenschancen auf 20 Prozent gesunken sind. Man gab mir sechs bis neun Monate. Ich begann sofort mit einer Chemo- und Immun-Therapie, die sehr schädlich ist für den Körper. Wenn diese Therapie nicht gegriffen hätte, dann wäre ich wahrscheinlich kurz darauf gestorben, weil es nicht viele Alternativen gibt. Mir war also klar, dass ich sehr wahrscheinlich innerhalb des nächsten halben Jahres tot bin. Und da habe ich mich vorbereiten dürfen auf das Sterben. Jetzt, im Nachhinein, kann ich es so sagen, weil es war wirklich ein Erlebnis, das mich tiefgreifend verändert hat – auf positive Weise. Wenn man so eine Erfahrung machen muss, dann hilft es auf jeden Fall weiterzukommen. Für mich war die Diagnose sehr überraschend, weil ich eigentlich einen gesunden Lebensstil geführt habe. Und trotzdem ist mir das passiert. Einfach auch, weil der Stress in meinem Leben so unheimlich groß war, dass der Körper reagiert hat, vermute ich. Und mein Gehirn so stark ist, dass ich den Stress nicht gespürt habe. Ich war dann zehn Tage lang konfus am Anfang meiner Chemo, weil ich hineingeschlittert bin in die Überlegungen: Was soll ich jetzt machen in den sechs Monaten, die mir höchstwahrscheinlich noch bleiben? Mein Körper ist schwächer geworden und ich habe nicht mehr alles machen können, was ich mir vorgestellt habe. Ich bin dann in die Stille und in die Tiefe gegangen und habe sehr viel meditiert. Dabei bin ich darauf gekommen, dass die ganzen Themen, die mich beschäftigen, die richtigen Themen für mich sind. Und dass die auch weitergehen, wenn ich tot bin. Dadurch, dass ich zuvor schon viel an meinem Ego gearbeitet hatte, bin ich da relativ schnell drüber hinweggekommen, ohne viel Tränen zu vergeuden über die eigene Vergänglichkeit. Dann hat sich auf einmal alles in Dankbarkeit geändert: Ich wusste, ich habe dieses wunderbare Leben führen können und kam zur Erkenntnis, dass ich angesichts des nahen Todes nichts anders machen will. Ich hatte keine Bucket List. Und vielleicht hat das auch dazu beigetragen, dass mein Körper reagiert hat auf die brutale Intervention, die da passiert ist.
Nach der Chemo waren Sie gesund?
Nach drei Monaten habe ich gewusst, dass ich eine Chance habe, zu überleben. Es war klar, dass es besser wird. Dann ist die Phase der Recovery gekommen und die hat schon eine Zeit gedauert. Da habe ich dann meinen Körper wieder zurückerobern wollen und ich war dann zwei Monate unterwegs: surfen, Ice climbing, Skifahren, Skitouren gehen. Ein bisschen langsamer, aber trotzdem mit viel Motivation und Dankbarkeit. Die Seele verdient einen gesunden Körper und einen gesunden Geist. So kann sie sich am besten entfalten.
Was hat Ihnen geholfen?
Dass ich schon zu dem Zeitpunkt eine tiefe Mindfulness-Practice hatte. Ich glaube nicht, dass man sich das während einer schweren Krankheit erarbeiten kann. Und dann fühlte ich eine tiefe Verantwortung dafür, dass mir das Universum das Leben wieder zurückgeschenkt hat. Das treibt mich auch heute noch an. Ich bin mir täglich meiner Vergänglichkeit bewusst. Und ich weiß auch damit umzugehen. Leider realisieren die meisten Menschen nicht, wie kurz das Leben sein kann und warum es wichtig ist, dass man die Sachen macht, solange man sie noch machen kann, wenn sie wichtig für einen oder für jemand anderen sind.
Sind wir alle miteinander verbunden?
Ja. Wenn man die Gelegenheit hat, tief genug zu gehen, dann wird man zwei Erkenntnisse erfahren, die die ultimativen Prinzipien sind, wie das Universum funktioniert. Das Erste ist die Erfahrung des universellen Einsseins. Das Zweite ist das Prinzip der universellen Liebe. Wenn man eins ist in der Einheit, nicht nur mit sich selber, sondern mit allem anderen und das in Liebe. Das sind tolle Erfahrungen, die einem niemand wegnehmen kann. Deswegen ist es wichtig, an sich selber zu arbeiten.