Vom Konzernmanager zum Entrepreneur: Wie schwierig war der Umstieg?
Das Schwierigste war, dass ich verwöhnt war. Im Nestle-Konzern hatte ich für jedes Problem drei Leute: ein Problem mit meinem Computer oder Handy, eine Frage zu einem rechtlichen Aspekt? Ein Anruf – und es wurde gelöst. Als ich mit BZEN startete musste ich selbst einen Weg finden, Probleme zu lösen. Es geht darum zu lernen, eine Lösung zu finden. Man braucht eine starke Vision, aber auch die richtigen Leute.
Wie war der Anfang?
Ich testete den gesamten Ansatz, die Vision von BZEN und das Konzept unseres Fahrrads einschließlich des Root-to-Market- und des Marketing-Ansatzes, indem ich ein Fahrrad von einem Co-Hersteller in Polen bauen ließ. Ich war anfangs eine Ein-Mann-Show und habe die ersten 150 Fahrräder selbst verkauft, ich hatte eine Buchhaltung, eine Person, die sich um das Design kümmerte, aber es war alles freiberuflich. Es ist also eine ganz andere Art zu arbeiten. Ich ging selbst auf die Messen, ich war ja Vertriebsmann, aß mein Sandwich und verkaufte direkt an den Benutzer, was für mich ein fundamentaler Lernprozess war.
Seitdem sind drei Jahre vergangen, der E-Bike-Markt ist umkämpfter denn je.
Ich bin ein Radfahrer, ich liebe Radfahren. Eines Tages probierte ich ein E-Bike aus und dachte: das ist toll. Es öffnete mir die Augen wie einem kleinen Jungen, der ein neues Spielzeug ausprobiert. Und ich dachte mir, ich kaufe eins für meine Frau. Aber dann fing auch sie an, ihr Fahrrad zu kommentieren und zu sagen: es ist sehr schwer, manchmal fühle ich mich, als würde ich fallen. Und es gab eine Reihe von Dingen, die sie an ihrem Fahrrad nicht mochte. Ich hörte mir das an und dachte: Es muss doch möglich sein, das besser zu machen. So hat alles angefangen. Unser Name erzählt die ganze Geschichte der Vision unseres Unternehmens: Be Zen. BZEN. Die Idee ist ein E-Bike, das nicht wie ein E-Bike aussieht und das dir erlaubt, in der Stadt frei zu sein und urbane Mobilität, frei zu genießen. Wenn man Frauen zuhört merkt man, dass sie nicht den Gang wechseln wollen, sie wollen sich nicht umziehen, um auf ein Fahrrad zu steigen, sie wollen damit fahren, als würden sie ihr Auto nehmen.
Fragten Sie Ihre potenziellen Kunden, wie ihr Wunsch-E-Bike sein sollte?
Wir haben fünfzehn Prototypen produziert und die wurden in fünf verschiedenen Ländern von fünfzehn verschiedenen Leuten drei Monate lang getestet. Die Kommentare waren fast alle gleich. Es muss vor allem bequem sein. Und bequem bedeutet, dass es leicht sein muss. Es muss Stil haben. Warum kaufen die Leute BMW und nicht Skoda? Es ist immer eine Imagefrage. Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin ist das Verkaufsargument nicht die Größe wie beim Auto. Ich möchte, dass ein Fahrrad mir hilft schön zu sein. Ich möchte, dass es auch selbst schön ist, aber das bedeutet, dass es mir in dieser Position erlauben muss, ich selbst zu sein. Letzter Punkt: Es muss halten und zuverlässig sein.
Wie sieht der durchschnittliche BZEN-Fahrer aus?
Unsere Kernzielgruppen sind Frauen 40 plus. Sie sind in der Regel schon als Kind oder junge Erwachsene Rad gefahren und dann haben sie mit dem Radfahren aufgehört und träumen jetzt davon, wieder aufs Rad zu steigen. Ein Rad, das vollständig computerisiert ist alles geht automatisch, es ist ein hohes Maß an Technologie im Inneren des Fahrrads versteckt. Alles, was man als Benutzer wissen muss, ist, dass man sitzt und radelt. Und das ist, was sie lieben.
Wie erlebten Sie das Coronajahr 2020?
Wir gingen zur eigenen Fertigung über und verkauften bereits im ersten Halbjahr 2020 jene Menge an Fahrrädern, die wir für das ganze Jahr geplant hatten. Wir hatten einen erstaunlichen Start. Ab dem 22. April, dem Muttertag, ging es los wie eine Rakete.
Wie läuft die weitere Expansion?
Wir bauen unser Netz an Servicepartnern aus: einen pro Stadt in Zielstädten. Wenn wir sagen, dass wir in ganz Europa ausliefern, dann stimmt das auch, aber die Marketingstrategie ist Stadt für Stadt zu wachsen. Wir haben acht Städte in Deutschland und fünf Städte in Belgien und Luxemburg, wachsen aber kontinuierlich. Es ist Teil unserer Philosophie sicherzustellen, dass die Qualität des Service hervorragend ist. Wir werden einen Flagship-Store in Belgien eröffnen, den wir als Ergänzung zum Online-Verkauf sehen, in den die Leute kommen können, um das Fahrrad zu testen, es anzufassen und zu fühlen. Das Design ist das, was man sieht, die Geometrie ist das, was man fühlt, wenn man auf dem Fahrrad sitzt. BZEN hat das gewisse Etwas, das es komfortabler macht als die anderen.
Fotos Roland Unger