Am Mountainbike. Jeden Morgen in der Früh beginnt Boris Bukowski gleich nach dem Aufstehen mit einer Stunde Training, meist fährt er mit dem Mountainbike auf den Bisamberg oder den Marchfeldkanal entlang. Beim Gerasdorfer Badeteich ist ein großer Fitnessparcours, den er gleich zweimal hintereinander absolviert. Später stehen bis zu 30 verschiedene Rückenübungen, daneben Krafttraining, Liegestütz und Kniebeugen auf dem Programm.
Als im Mai das „Dancing Stars“-Angebot kam, sagte er sofort zu. Nur in den Outfits wie Smoking oder Frack – „den trage ich zum ersten Mal in meinem Leben“ – fühlte er sich „eher wie ein Schauspieler. Ich spiele einen Tänzer, und den muss ich möglichst gut geben.“ Dass er so weit kam, getragen vom Publikum, hat er selbst nicht erwartet: „Ich habe wirklich bei null angefangen. Alles, was ich erreicht habe, war für mich ein Gewinn.“
Graz in den 1970er-Jahren. Boris Bukowski hat sein Jusstudium abgeschlossen und promoviert mit 28 Jahren zum Doktor der Rechte. Bereits mit 15 bekam er ein Schlagzeug zu Weihnachten. Als einige Gleichaltrige ihm das Drum-Kit für ihre eigene Band abkaufen wollten – damals waren Schlagzeuge Mangelware – pokerte er. Das Instrument sollte es nur mit ihm als Schlagzeuger dahinter geben. In Ermangelung von Alternativen gelang die Erpressung und Bukowski spielte fortan bei der Hill Wagner Showband.
Im Radio lief damals zum ersten Mal Jazz, 1962 kamen die ersten Beat-Gruppen ins Rampenlicht, die Kinks, Rolling Stones und die Beatles begeisterten Fans in einer noch nie dagewesenen Hysterie.
Mit 26 Jahren trat Bukowski der damals legendären Band Magic 69 als Schlagzeuger bei, die Haare trug er schulterlang. Zu Uni-Prüfungen musste er eine Echthaarperücke mit kurzen Haaren aufsetzen, sonst „hätten sie mich nie im Leben antreten lassen“. Das Jusstudium machte er nur, um seine Eltern zu beruhigen, sein Vater war selbst Rechtsanwalt. „Meine Mutter war die treibende Kraft. Nach der ersten Staatsprüfung ist der Punkt, wo es 63 Prozent nie mehr zu Ende machen. Mein Selbstwertgefühl war nicht so hoch, um das Studium zu schmeißen. Ich dachte mir, die werden alle sagen: Warst eh zu blöd dafür! Also hab ich mir einen Ruck gegeben und es fertig gemacht.“ Das Diplom hängte er aufs Klo: „Nach der vierten Übersiedelung ist es verloren gegangen.“
Besser als der Sänger. Dass er künftig hinter dem Mikrofon stehen anstatt hinter dem Schlagzeug sitzen sollte, verdankte er einem Zufall: Bei Demoaufnahmen war der Magic-Sänger schon nach Hause gegangen, also sang Bukowski einfach die Lieder selbst ein, damit sich die Plattenfirma vorstellen kann, wie sie in etwa klingen sollten: „Dem Plattenboss Dominique Dauphin-Meunier gefiel meine Stimme jedoch besser als die unseres Sängers, der übrigens hervorragend war. Er wollte, dass ich das ganze Album singe.“ Der Sänger war nicht erfreut: Er hieß Günter Timischl – und sollte später das „T“ von STS werden. Schon davor spielte Bukowski bei der Band Durtles – einer Wortkreation aus Dirt und Turtles – mit Schiffkowitz zusammen, der später ebenfalls zu STS wechseln sollte. In der Steiermark und besonders Graz waren damals einige der besten Musiker ihrer Zeit zu Hause: „Es gab viele Bands, die musikalisch hervorragend waren.“ Also gründete Bukowski mit einem Partner das Magic Sound Studio in Graz, das er über 12 Jahre bis 1991 führte, wo Künstler wie die EAV oder STS ihre Hits einspielten. Selbst machte Boris Bukowski solo musikalisch weiter.
Seine ersten Lieder „Fritze mit der Spritze“ – ein Lied aus der Sicht eines Psychiatrie-Insassen – und „Kokain“ wurden zu Hits. Als er den Song schrieb, hatte er noch keine Erfahrung mit Kokain, sagt Bukowski. Wie war das danach mit ihm und den Drogen?
Ich habe Ecstasy und Kokain probiert, hatte aber immer eine klare Regel: Nie mehr als drei Lines an einem Abend und kein zweites Mal in einer Woche. So kam ich unbeschadet durch diese Zeit.
Heroin? Never! Crack? Never! Bukowski lächelt und nimmt einen Schluck Espresso: „Ich habe Gott sei Dank großen Respekt vor Drogen. Heroin: Never! Crack: Never! Aber ich bin neugierig, ich bin interessiert. Ich habe Ecstasy probiert, ich habe Kokain probiert, hatte aber immer eine klare Regel: Nie mehr als drei Lines an einem Abend und kein zweites Mal innerhalb einer Woche. So bin ich unbeschadet durch diese Zeit gekommen.“ Besonders Ecstasy solle man nicht unterschätzen, meint Bukowski heute: „Ecstasy ist explosiver als Koks: Du musst eine Stunde warten, aber dann geht von einer Sekunde auf die andere die Sonne auf. Aber so, dass ich beim ersten Mal eine Stunde lang allein daheim getanzt habe. Mich hat interessiert: Kann ich das verwenden, um tolle Songs zu schreiben? Ich konnte es nicht.“ Also hörte er ganz mit Drogen auf: „Ich wollte nie einen kaputten Körper mit Hilfe von Drogen ans Maximum bringen, das hat mich überhaupt nicht interessiert. Ich gehe lieber ins Fitnessstudio, lebe gesund und gehe so ans Limit.“
„Weißt du“, sagt Boris Bukowski zu mir, „was verrückt ist: Bis das Kokain bei uns ankommt, geht es vorher durch fünf Hände, die das alle mit irgendetwas strecken, von dem niemand weiß, was es ist, und trotzdem werfen sich das Zeug weltweit Millionen Menschen rein. Und gleichzeitig trauen sich Millionen Menschen nicht, ein bewährtes Vakzin zu nehmen, das vor einem tödlichen Virus schützen kann.“
Legalisierung. Es ist einer der Gründe, warum Boris Bukowski generell für eine Legalisierung von Drogen ist: „Wenn das alles nichts Konspiratives mehr hat, du es nicht mehr im Hinterzimmer verschwörermäßig konsumieren musst und die kriminellen Gangs nichts mehr daran verdienen können, dann wird bei vielen auch das Interesse nachlassen. Milliarden Dollar werden weltweit ausgegeben, um Drogenbosse auszuschalten, die sofort nach ihrer Verhaftung durch andere ersetzt werden. Irgendwann muss man umschwenken, wenn man 50 Jahre lang versucht, die Kartelle zu vernichten und keinen Erfolg damit hat.“