Adrian Riklin. Irgendwann, eines schicksalhaften Tages, wurde ihm von einem Verehrer Adrian Riklin vorgestellt. „Das hätte er nicht tun sollen“, lacht Antonis Stachel. Der vermögende Unternehmer und er entbrannten mit der Leidenschaft füreinander, die man sich genau so in Luchino-Visconti-Filmen vorstellen will: „Das ist mein Mann, das wusste ich.“ Zunächst versuchte man sich in der Goldegggasse ein gemeinsames Leben zu stricken. Arbeitete mit Beteiligungen an Galerien wie Hilger zusammen. Brachte dort Know-how und Empathie ein oder Geld, jeder, was er vermochte. Es begann sich zwischen ihnen ein ganz eigenes partnerschaftliches Lebensmodell zu entwickeln. Und dann wurde das Palais Rasumofsky gekauft. Kein Gebäude hätte passender sein können für das, was dann kam. Eine Tafel an der Hausmauer erinnert noch an den Fürsten Andrej Kirillowitsch Rasumowsky, Botschafter des Russischen Reiches am Hofe zu Wien, der „als hervorragender Diplomat, bedeutender Mäzen und Förderer der Künste ein bleibendes Andenken in der Geschichte Europas hinterlassen hat“.
Das Palais. So übernahmen Antonis Stachel und sein Mann Adrian Riklin 2009 ein stark renovierungsbedürftiges Objekt, in dem Jahrzehnte nichts mehr passiert war. Vorsichtig wurde mit den Baar-Baarenfels Architekten umgebaut. Die sanfte Innenrenovierung übernahm Antonis bester Freund und Collection Manager Bernhard Mikš, der die Hallen teilweise händisch abwaschen ließ, um nichts „überzurenovieren“. Manche Gebäude seien nur mehr die Persiflagen ihrer selbst, meint Antonis Stachel. „Früher hat man am Staub erkannt, wie alt die Reliefs sind“. Alles konnte nicht verwirklicht werden, denn eigentlich, so findet Antonis Stachel, sollten die Gärten vom Palais so sein, wie sie waren. Sie reichten bis an die Donaulände hinunter. Antonis und Adrian begannen zu sammeln und anzuordnen. Gunter Damisch, Nives Widauer, Manfred Wakolbinger, Alfred Hrdlicka, Jonathan Meese, Bruce Weber, Massimo Vitali, Keith Haring, Nan Goldin, Mel Ramos, Andy Warhol und unzählige mehr. Und Erwin Wurm, dessen Kunst allgegenwärtig ist. Und von dessen Tochter Antonis Stachel der Pate ist.
Jane Austen & Miami Vice. Das Palais Rasumofsky wurde mit der Zeit „eine Mischung aus einem Roman von Jane Austen, einem dreidimensionalen Durchblättern der Zeitschrift ‚Architectural Digest‘ und einer Folge der TV-Serie ‚Miami Vice‘. Und ein ordentlicher Schuss Museum of Modern Art“, um einen Satz aus einem der zahlreichen Artikel darüber zu zitieren. Die Sammlung nennen sie Sanziany, nach Antonis Stachels Spitznamen Gräfin Sanziany. Recherchiert man, stößt man auf ein Buch „Die Contessa – Erinnerungen einer unvergleichlichen Frau: Gräfin Sanziani, die letzte große Kurtisane unseres Jahrhunderts“. Damit wird gespielt, nicht zuletzt, um den Stimmen entgegenzutreten, die aus dem Gesamtkunstwerk Palais Rasumofsky nur ein Hobby für Antonis Stachel machen wollten, einen Zeitvertreib. War doch das Projekt immer Quell des Ausdrucks des Gemeinsamen dieser zwei Personen. Ohne den einen oder den anderen hätte es so niemals verwirklicht werden können. Gestaltet mit Tausenden Kunstwerken und Designschätzen, ohne besonders Sammlungskonzept, mit einem unkonventionellen Zugang zu dem Ganzen, denn darin wird gewohnt. Was berührt, wird gezeigt. Wenn die Ehrfurcht fällt, sogar bei berühmten Exponaten, dann hat der persönliche Zugang zur Kunst Platz. Und es darf auch ein neues Kunstwerk entstehen, wenn die Kombination stimmt. Eine Fotoarbeit von Thomas Struth über Menschen, die das Van Gogh Museum besuchen, wird ergänzt durch einen Fake-Van-Gogh daneben. Um 50 Euro, erworben aus einem Willhaben-Inserat. So betrachten die Menschen in dem Bild plötzlich ein Werk außerhalb des Rahmens.
Antonis Stachel zieht immer wieder ehrliche Freude daraus, den Menschen die Räume zu zeigen. Es gibt kein gesellschaftliches Ranking, es sind Freunde, Geschäftspartner oder einfach Touristen, die er von der Straße hereinholt und die dann ihren Augen nicht trauen, wo sie da gelandet sind. Ein Ort, nicht ganz von dieser Welt. Und mittendrin der Alien Prince. Antonis Stachel steht in seinem Raum für Schuhe und blickt nach oben. Seine grünen Augen blitzen schelmisch. „Ganz oben sind sie Stiefkinder, sagt er. „Die dürfen oben stehen, aber nicht stören.“ Er zeigt auf die oberste Reihe Schuhe, die er nicht gerne trägt. Wo genau der Unterschied ist, vermag er so nicht zu sagen, bei den anderen weiß er halt mehr, warum er sie tragen sollte. Er zeigt ein schönes, fast klassisches Paar, mit feinem Ornament gestickt. Seine Wahltagsschuhe sind ebenfalls gepunktet, in allen wählbaren Farben. Und es gibt durchsichtige, falls auch einmal die Socken zur Geltung kommen müssen. Schließlich zeigt er auf einen ganz schlichten, schwarzen, mit Tropfen drauf. „Die sind für Klumpfußtage“, meint Antonis Stachel. „Die nach anstrengend Nächten, die sind weit genug, um die Strecken am nächsten Tag in Würde zu bewältigen.“ Was das auf sich hat mit dem Sammeln, ausgerechnet von Sneakers? Die Antwort ist erstaunlich trocken: „Sie sind schön und sie lenken vom Bauch ab.“ Und man sei verletzlich, ohne Schuhe. ÂDeswegen seien sie wichtig. Er erzählt von der Trennung von Adrian, von der Wandlung vom Partner zum immerwährenden Lebensmenschen, den Ãœberlegungen, wie es mit dem Palais weitergehen soll. Von seiner neuen Liebe, José.
Zum Abschied zeigt er eine Fotoarbeit von Christian Eisenberger. Darauf sind Pusteblumen auf einer grünen Wiese zu sehen. In der Anordnung einer Pistole. Denn so ist sie, die Sache mit dem Kampf um die Seele. Mit den Ups, den Downs, den inneren Dämonen. Und wie man ihnen mit Kunst begegnet. Und ja, mit den richtigen Schuhen.
Fotos Roland Ferrigato