Es gibt Menschen, die sammeln Kunst. So wie Antonis Stachel und der Industrielle Adrian Riklin, die über 2.400 Werke im Palais Rasumofsky zusammengetragen haben, eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen Europas. Auf 7.000 Quadratmetern findet man Werke von Keith Haring, Andy Warhol bis Erwin Wurm.
Louboutin. Und dann gibt es Menschen, die sammeln Sneakers. Nicht ein paar, auch nicht ein paar Dutzend, sondern Hunderte. So wie Antonis Stachel. Er hat nicht nur ein Faible für One Minute Sculptures, Fat Cars und Brillo Boxen, sondern auch für Louboutin. Neben 300 Paar anderer Marken wie Dsquared oder Etro, die in einem Schrank hinter geschlossenen Türen lagern, sind es 150 Paar Louboutin-Schuhe, die es ihm angetan haben. Jeder Schuh ist speziell und außergewöhnlich im Design. „Manche von ihnen spinnen“, sagt er, und seine Augen leuchten. Eigentlich ist der französische Schuh- und Taschendesigner Christian Louboutin für seine Frauenschuhe bekannt. Man liest, es mag daran liegen, dass er von fünf Frauen aufgezogen wurde, seiner Mutter und vier großen Schwestern, dass er sich schon von Kindheitstagen an mit High Heels beschäftigt hat. Anfang der 1990er-Jahre gründete Christian Louboutin sein eigenes Unternehmen. Seine Markenzeichen sind neben schwindelerregend hohen Absätzen: die rote Sohle der High Heels. Nur die „Bridal-Shoes“ haben eine blaue Sohle. Blau wie die Treue.
Der Antitrump-Schuh. Einer seiner berühmtesten Schuhe ist der „Jojo Strass“, den Tänzerin Dita Von Teese während ihrer Shows trägt, er kostet über 1.700 Euro. Und Starregisseur David Lynch fotografierte die verruchtesten Louboutin-Modelle für seinen Bildband „Fetisch“. Mittlerweile gibt es die Loubibabys: kleine, goldpaillettenbesetzte Ballerinas, natürlich mit roter Sohle. Es wäre nicht Antonis Stachel, wenn es nicht wichtig wäre, zu welchem Anlass die jeweiligen Stücke auszuwählen sind. Die lieblich grün Geblümten nennt er „Antitrump“, gekauft als friedliches StateÂment gegen den Despoten. Die gelben slipperartigen heißen Hoyos, von gleichnamiger Freundin geschenkt, mit entsprechender Liebe getragen. Für spezielle Führungen durch das Haus kommt das Modell mit den Seepferdchen darauf zum Zug. Weiß man doch, dass bei diesen Tieren die Männchen für die Brutpflege zuständig sind, nur würdig, dass sie beim Gang durch sein Reich voller Kunst zum Tragen kommen.
Einhornschuhe. Und die Objekte sind ein bisschen seine Kinder. Die Silvesterschuhe sind schrill. Die Einhornschuhe, sie können die Farbe wechseln, für die kindischen Tage. Bei Fernweh mit Ãœbermut wird ein Schuh mit wildem Aztekenmuster gewählt, oder einer mit Mexiko-Stickerei mit türkisen Perlen. Es gibt Schlangenschuhe, Halbschuhe mit Glitzer, welche mit Spikes drauf. Die letzteren drei sind die Reiseschuhe. Immer. Auch das muss seine Ordnung haben. Momentan ist die Zeit für nachhaltige Schuhe, gemacht aus recycelten PlastikeinkaufsÂtaschen. Paillettenschuhe. Epochenschuhe, 80ies-mäßig, neonfarben, oder leuchtend im Dunkeln.
Und dann gibt es Loubi-Shark. Sie sehen fast wie Comicschuhe aus, im kindlichen Design mit Zickzackmuster an der Seite. „Es sind meine Großmutter-Gedenkschuhe“, sagt Antonis Stachel. Man sagt, sie sei vor einer griechischen Insel einem Hai zum Opfer gefallen. Antonis Stachel beginnt zu erzählen von Helga Pohl, der Mutter seiner Mutter, die 1963 bei Paleo Trikeri im Ägäischen Meer verschwunden ist. Sie war Schriftstellerin und sehr in der Kulturszene dieser Zeit integriert. Ihr Vater Emmerich Sandig war angesehener Maler in der Nazizeit, dessen Vorfahren wiederum alle Bildhauer. Von der großmütterlichen Seite dürfte Antonis Stachel viel haben. Sie war kunstsinnig, emanzipiert und ein echter Freigeist. „Oder aber, wer weiß, vielleicht ist sie auch einem eifersüchtigen Liebhaber zum Opfer gefallen“, überlegt er. Der Tod seiner Großmutter sorgte für großes Aufsehen, war in den Zeitungen besprochen und sogar in der Literatur. „Schwule haben gerne aristokratische Großmütter“, feixt Antonis Stachel. „Die Kunstseite ist meine Variante davon.“ Dies ist schon eine wichtige Geschichte in seiner Familie.
Kindheit in Kamerun. Und es gab ein paar besondere Wege in der Kindheit, die ihn ganz persönlich geprägt haben. So ging er siebenjährig mit seinen Eltern nach Afrika, nach Kamerun. Sein Vater war dort in einem Entwicklungshilfeprojekt tätig. Der kleine Antonis kam in der Hauptstadt Yaounde in eine normale Schule, als einziger Weißer, ohne die Sprache dort zu sprechen. Das sollte sich bald ändern, nach einem Jahr sprach er fließend französisch. Und er hat gelernt, Anpassung zuzulassen, wo sie sinnvoll ist. Aber Schönheit zu suchen, denn sie hilft. Zurück in Wien, als Gymnasiast in der Wasagasse, entdeckte er Comic-Prints für sich und begann sie zu sammeln. Viel von seinem Ersparten ging dafür drauf, seine Leidenschaft für Design, später Kunst begann sich zu schärfen. Eines Tages blätterte er in einem Architekturmagazin. Darin war ein Foto mit einem Schwulen – inmitten seiner Memphismöbelsammlung – zu sehen: „Aha, dachte ich, Möbel gehen auch.“ Später begann er Architektur zu studieren bei Wilhelm Holzbauer. Eine Zeit, die altersmäßig jedoch in eine andere Priorität fiel: jung sein. Sich ausleben. Antonis Stachel hat schon längst sein Schwulsein festgestellt und das hatte gelebt zu werden, ausgiebig. Und ja, wenn geht, exaltiert.