Was sahen Sie, als Sie sich im Stiegenhaus nach oben vorkämpften?
Ich erinnere mich an eine Frau mit schweren Verbrennungen. Und dann war da dieser Gentleman, der seinen Mantel auszog und ihn vorsichtig um sie legte. Aber in erster Linie waren da Menschen, die nur eines wollten: hinaus. Unser Ziel war das 90. Stockwerk. Das Flugzeug hatte den Nordturm auf Höhe des 93. Stocks getroffen. Mein Plan war, dass wir in Etappen von jeweils zehn Stockwerken nach oben gehen und dann jeweils eine kurze Pause machen, weil wir alle unsere schwere Ausrüstung trugen, jeweils rund 45 Kilo. Dann einen Schluck Wasser trinken, kurz durchatmen, und die nächsten zehn Stockwerke hochgehen. Ich dachte mir, so hätten wir dann noch etwas Kraft, wenn wir im 90. Stock ankommen, weil erst dann die eigentliche Arbeit beginnt. Wir stoppten nach zehn, wir stoppten nach zwanzig Stockwerken. In einem Hochhaus, speziell einem wie dem World Trade Center, wo uns Massen an Menschen entgegenkamen, kannst du einfach verloren gehen. Ich drehte mich regelmäßig um und zählte die Helme, wenn da fünf waren, war alles in Ordnung. Als wir im 27. Stockwerk ankamen, hatte ich nur mehr drei Leute bei mir. Ich sagte ihnen, sie sollen warten, ich müsse die anderen beiden finden.
Fanden Sie sie wieder?
Sie kamen langsam nach, weil sie durch die flüchtenden Menschen zeitweise nicht weiterkamen. Wir machten auf der 27. Etage kurz halt und wollten dann erst im 40. Stockwerk wieder stehenbleiben. Als wir losgingen, kamen uns einige Kollegen von Engine 21 entgegen, allen voran Andy Fredericks. Ich sagte gerade „Hallo“ zu ihm, als wir außen einen ohrenbetäubenden Knall hörten. Der Nordturm, in dem wir waren, bebte, die Lichter gingen aus, alles vibrierte. Ich schrie zu Billy Burke: „Du gehst zu den Fenstern auf der Südseite, ich auf die Nordseite. Wir müssen herausfinden, was passiert ist.“ Ich sah nur Staub, eine dunkle Wolke, die gegen die Fenster gepresst wurde. Es war fast dunkel draußen. Billy kam zu mir gelaufen, er war leichenblass: „Der Südturm ist eingestürzt!“ Direkt neben uns waren in wenigen Sekunden Tausende Menschen gestorben, darunter einige unserer Freunde und Kollegen. Ich drehte mich zu meinen Leuten und sagte: „Okay, wenn der eine Turm einstürzen kann, kann es der andere auch. Es ist Zeit hier rauszukommen!“ Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, aber sie ignorierten zunächst meinen Befehl. Es stellte sich erst Tage später heraus, dass sie nicht gehört hatten, was Billy Burke und ich besprochen hatten. Sie hatten überhaupt nicht mitbekommen, dass der Turm neben uns eingestürzt war, und wollten zunächst das Gebäude nicht verlassen. Doch schließlich begannen wir mit dem Abstieg. Bis zum 20. Stockwerk ging alles recht zügig voran.
Dann stockte es.
Wir fanden dort eine Frau, die in der Tür stand und weinte. Meine Leute stoppten – sie wussten ja nicht, in welcher Gefahr wir alle waren. Tommy Falco drehte sich zu mir: „Was sollen wir mit ihr machen, Captain?“ Ich sah ihn an und dachte mir: „Du gehst sehr großzügig mit unserer Zeit um.“ Jede Sekunde, die wir vergeuden, sind wir dem Tod eine Sekunde näher. Ich sagte: „Wir nehmen sie mit!“ Billy Butler war der Größte und Stärkste in unserem Team, er nahm sie auf den Rücken und wir bewegten uns als Gruppe Schritt für Schritt weiter. Die Frau verlangsamte unseren Abstieg deutlich. Was dachten Sie in dieser Situation: Werde ich das alles überleben? Oder konzentriert man sich nur auf seinen Job?
Du konzentrierst dich nur auf die Situation: „Wir müssen hier raus und nehmen sie mit.“ Ich dachte an nichts anderes. Ich flüsterte Billy Butler zu: „Kannst du etwas schneller gehen …“ Dann hörte ich Captain Pat Brown am Funk. Chief Hayden gab ihm den Befehl: „Befehlsstand an Ladder 3, Captain Pat Brown, verlassen Sie das Gebäude!“ Brown ging an das Funkgerät und ich konnte nicht glauben, was er sagte: „Hier ist der Offizier von Ladder 3, ich bin im 44. Stockwerk, habe eine Menge Leute mit schweren Verbrennungen bei mir. Ich werde das Gebäude nicht verlassen, ich verweigere den Befehl.“ Er blieb mit seinen Leuten bei ihnen. Nie zuvor und nie danach habe ich so viel Mut und Tapferkeit erlebt wie an diesem Tag. Als das Gebäude einstürzte, wurden sie alle getötet. Im 15. Stock lief mir Feuerwehrmann Faustino Apostol über den Weg. Er stand in der Tür zum Stockwerk und ich sagte zu ihm: „Jungs, wir müssen gehen!“ Er sagte: „Alles okay, Captain. Ich warte hier auf den Chief.“ Sein Vorgesetzter leitete einen Rettungseinsatz im Turm und er wollte seinen Partner nicht verlassen. Beide, Apostol und sein Chief, überlebten den Einsturz nicht. Wir stiegen weiter ab und im 12. Stockwerk traf ich Mike Warchola, einen Freund, er war Leutnant von Ladder 5. Er und zwei seiner Leute versorgten gerade im Stiegenhaus einen Mann mit Brustschmerzen. Ich sagte zu ihm: „Mike, wir gehen.“ Er antwortete: „Ist schon gut, Jay. Du hast deine Zivilisten, ich hab meine. Wir sind gleich hinter euch.“ „Lass dir nicht zu viel Zeit“, sagte ich noch zu ihm. Je näher wir dem Erdgeschoß kamen, desto mehr dachte ich mir: „Wir könnten es wirklich hier rausschaffen.“
Doch dann passierte die Katastrophe.
Wir waren gerade im 4. Stockwerk, als die Frau, die wir seit der 20. Etage bei uns hatten, Josephine Harris, plötzlich auf den Boden fiel. Sie begann uns anzuschreien: „Fasst mich nicht an, lasst mich alleine! Ich bleibe da.“ Ich stieß die Tür zum 4. Stock auf und versuchte irgendwo einen festen Stuhl zu finden, in den wir sie setzen und hinuntertragen könnten. Ich fand nichts und dachte mir: „Wir müssen sie nur mehr diese Treppen nach unten ziehen.“ Ich rannte zurück in das Treppenhaus und war gerade mit einem Fuß auf den Stiegen, als der Nordturm einzustürzen begann. Wir waren mitten drin.
Wie erlebten Sie den Einsturz?
Die gesamte Luft im Nordturm wurde mit einem Mal komprimiert, so dass sie einen enormen Windstoß, fast Sturm, im Stiegenhaus verursachte, mit Trümmern, die durch die Luft flogen. Immer dann, wenn ein Stockwerk auf das darunterliegende krachte, gab es einen unvorstellbaren Knall und eine gewaltige Erschütterung. Der Einsturz begann mit dem Dach, jedes der Gebäude war 415 Meter hoch. Je näher es uns kam, desto gewaltiger waren der Lärm und die Erschütterungen. Du hörst berstenden Stahl, wie das Quietschen eines bremsenden Zuges. Ich dachte mir, jetzt erwischt es uns. Doch plötzlich stoppte der Einsturz. Alles war still. Ich war am Leben und versuchte meine Augen zu öffnen, aber alles war voller Staub und Geröll. Ich hustete und versuchte durch die Nase zu atmen. Als ich hörte, dass andere dasselbe taten, wurde mir klar, dass nicht nur ich überlebt habe. Ich schrie: „Wer ist noch da? Tommy? Sal? Billy?“ Nacheinander antworteten sie: „Ich bin da! Ich auch!“ „Was ist mit der Frau?“ „Ja, ich bin auch noch da!“, schrie sie. „Okay, lasst uns weiter absteigen.“ Wir realisierten noch nicht, dass der gesamte Turm über uns eingestürzt war. Der Luftzug beim Einsturz war so stark, dass er Matt Komorowski in das 2. Stockwerk geschleudert hatte. „Wir kommen da nicht weiter“, schrie er. Wir waren gefangen. Endlich hörte ich ein Mayday durch das Funkgerät, es war Mike Warchola. Er sagte, er sei im 12. Stock im Stiegenhaus B, gefangen und schwer verletzt. Aber da war kein 12. Stockwerk mehr.