Vor einigen Jahren hat Sie eine Spritze in Ihre Hüfte fast Ihr Leben gekostet.
Ich hatte von Geburt an Probleme mit meiner Hüfte und bekam alle zwei, drei Monate eine Cortison-Spritze in die Hüfte. Diese Spritze wurde nicht richtig desinfiziert. Dadurch kam ein Keim, Staphylococcus aureus, mit ins Gelenk. Das hatte eine eitrige Gelenksinfektion zur Folge, die Bakterien entwickelten sich rasant, drängten in die Blutbahn und hatten eine lebensbedrohliche Sepsis, eine Blutvergiftung, zur Folge. Mit dieser Sepsis kam ich 30 Stunden nach der Spritze in die Notaufnahme des Klinikums rechts der Isar.
Haben die Ärzte den Ernst der Lage sofort erkannt?
Ja, Gott sei Dank. Ich dachte, ich würde am selben Tag wieder nach Hause gehen.
Das Klinikum rechts der Isar ist die Klinik mit der erfahrensten mikrobiologischen Abteilung. Ich wurde sofort notoperiert, drei Stunden später wäre ich gestorben. Sie haben sehr schnell genau gewusst, welches Antibiotikum ich brauche. Der Arzt, der dort Notdienst hatte – ein Österreicher –, hat sofort reagiert und wurde mein erster Lebensretter. Bei der OP wird das Gelenk aufgemacht und mit literweise antibakteriellem Wasser durchgespült, man versucht aus jedem Millimeter diese Bakterien rauszubekommen. Der Eingriff dauerte drei Stunden.
Doch es gab danach keine Entwarnung?
Man hat mir kurze Zeit später gesagt, dass sie die Bakterienlage überhaupt nicht im Griff haben und dass wir sofort ein zweites Mal operieren müssen.
Das war eineinhalb Tage nach der ersten Operation. Sie sagten mir, dass der Keim hoch aggressiv ist, einer der aggressivsten und schnellsten, den sie je behandelt hätten. Mein ganzes Hüftgelenk wäre bereits weg, die Bakterien hätten alles weggefressen und deshalb wäre jetzt von einer schnellen Genesung nicht mehr auszugehen. Mein bakterieller Status wäre lebensbedrohlich. Man muss ein drittes Mal operieren – innerhalb von sechs Tagen. Dabei blieb es nicht, in zehn Tagen waren es vier Operationen. Die vierte machte mich zum Pflegefall. Die OP hat mich gekillt.
Sie kamen eben noch aus L.A., lebten ein Jetset-Leben, hatten tolle Kunden mit Ihrer Agentur. Plötzlich war alles anders.
Wenige kamen in so einem supergesunden, hochfitten Zustand ins Krankenhaus wie ich. Ich war Sportlerin und fitnessmäßig am Zenit.
Ich trank kaum Alkohol, machte jeden Tag Sport, habe Sonne getankt, war glücklich und topfit, war Nichtraucher. Wär ich auch nur einen Hauch weniger fit gewesen, hätte ich die vierte Operation nicht überlebt. Nach ihr konnte ich mich zwei Monate lang nicht mehr bewegen. Ich habe zwei Monate das Bett nicht verlassen.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Ihr Leben am seidenen Faden hing?
Ich war extrem vollgepumpt mit Morphium, sie haben mir das Maximum reingedonnert. Ich war sediert und habe ziemlich viel nur in einer Wolke mitgekriegt.
Meine Familie stand immer am Bett, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester. Alle guckten immer so unglaublich ernst. Ich dachte nur: Was ist los? Ich war doch gerade in L.A. Das kann doch gar nicht sein. Nach drei, vier Wochen war ich dann ganz im Krankenhausalltag involviert, kannte alle Schwestern, Ärzte und die Abläufe, die Visite, die Routine. Ich wusste, dass meine Hüfte zumindest sechs Monate keimfrei sein muss, um überhaupt eine neue Hüfte einsetzen zu können. Ich wollte es nicht glauben. Ich dachte mir: „Da beginnt ja die Ballsaison ohne mich!“ Voll krass.
Wie lange waren Sie insgesamt in der Klinik?
Am Stück einmal sieben Wochen, ohne mich wegbewegen zu können. Ich war so sehr auf Morphium, dass ich eine Atemüberwachung brauchte. In Summe war ich ein halbes Jahr in der Klinik. Ich lag ja auch wund, wurde am Po eingecremt. Ich konnte auch nicht aufs Klo, sondern hatte eine Bettpfanne, weil ich ja nie aufstehen konnte. Jeden Abend war mein größter Wunsch von allen Wünschen der Welt, dass ich mal alleine zur Toilette gehen kann. Mal aufstehen, einfach aufstehen! Zu Weihnachten 2017 kam ich dann zu meinen Eltern, die haben in ihrer Bibliothek ein Krankenzimmer einrichten lassen, da lag ich dann einen Monat. Meine Eltern haben mich gepflegt, meine Mama hat gekocht, mein Papa hat meine Stützstrümpfe aus- und angezogen, die Medikamente überwacht und das Morphium verwaltet.
Wann begann die Rehabilitation?
Ende Januar in einer Klinik am Starnberger See. Da saß ich im Grunde drei Wochen im Rollstuhl, konnte aber unter schwersten Schmerzen dann erstmalig ein bisschen aufrecht stehen. Wenn ich auf die Toilette wollte, hat das eine Dreiviertelstunde gedauert.
Was hat Ihre Krankheit psychisch mit Ihnen gemacht?
Ich bekam Panikattacken aus Angst zu sterben. Da habe ich keine Luft mehr bekommen, hyperventiliert und von einem Bekannten ein sogenanntes „Tavörchen“, eine Tavor-Tranquilizer-Tablette – ein schwer abhängig machendes Lieblingszeug von Junkies – bekommen. Das ist schon geil, dann ist man richtig schön gechillt! Viele Sachen waren einfach bizarr, die mir passiert sind. Ich hab echt gedacht, das ist jetzt nicht mein Leben: die Ala, die seit Monaten auf dem Rücken liegt und in Bettpfannen macht. Ich musste weinen, ich habe über Wochen hinweg Schmerzattacken gehabt, so dass mehrere Pfleger am Tag versucht haben, mich in eine anständige Position zu bringen, damit ich aufhöre zu schreien. Das Schreien kam nicht von meiner Stimme, das Schreien kam aus meinem Körper.
Wie waren Ihre Ärzte?
Als klar war, dass ich anscheinend keine Operationen mehr brauche, kam ein Psychologe zu mir, der unglaublich gut aussah. Generell muss ich sagen: Die Ärzte im Klinikum rechts der Isar sahen einfach immer unglaublich gut aus, was in all dem Leid, das ich hatte, eine richtige Freude war. Sie waren alle überdurchschnittlich attraktiv. Meine Ärzte waren alles „Hotties“und der Psychologe auch. Er sagte zu mir: „Immer, wenn schwere Schicksalsschläge, traumatische Erlebnisse, Unfälle, lebenseinschneidende Veränderungen passieren, dann stellt das Krankenhaus einen Psychologen zur Verfügung.“ Und er wollte wissen, wie es mir geht und dann hab ich ihm gesagt, er sehe so gut aus, dass ich mich sehr gerne mit ihm unterhalten würde. Mir geht’s gut, ich bin stabil, er soll sich lieber um Leute kümmern, die ihn brauchen.
Ihr Leben verlief bis zu diesem Moment extrem glücklich und erfolgreich?
Mein Leben war 43 Jahre lang „Sunny side up“ und megageil. Ich bin mit den richtigen Eltern geboren, ich hatte eine tolle Schulausbildung, tolle Männer in meinem Leben, und habe mich beruflich verwirklicht. Ich bin auch nicht ganz hässlich und auch nicht ganz doof. Dann kann ich nicht, wenn‘s einmal scheiße läuft – was halt so ist im Leben –, sagen: Ich bin ein Pechvogel. Der Psychologe meinte nur: Wenn es nur so Leute gäbe wie mich, dann hätte er keinen Job.
Waren Sie nie an dem Punkt aufzugeben?
Natürlich war es furchtbar und schrecklich und ich konnte mir nicht vorstellen, wie das alles weitergehen soll. Ich hab oft zu meiner Schwester gesagt: Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ich spring jetzt aus dem Fenster! Aber ich kam ja nicht mal zum Fenster! Hätte ich es wirklich wollen, wäre ich nie aus dem Fenster gekommen. Das Risiko, bei einer Gelenkspritze eine Infektion zu bekommen, liegt bei 0,1 %. Ich war vorher in meinem Leben immer auf der Gewinnerseite und nun mal nicht. Andererseits habe ich überlebt. Ich bin nicht gestorben, ich hatte Glück.
Wann war klar, dass Sie über dem Berg sind?
Nie und das ist es auch jetzt nicht. Der Keim ist ja in mir, der kann immer wieder zuschlagen. Ich hab zur Zeit auch ein bisschen Angst davor. Ich bekam insgesamt fünf Monate Antibiotika und dann war die große Frage, ob mein Körper, mein Immunsystem den Keim und was noch davon da ist, allein schafft. Dann war die nächste große Hürde die Biopsie letzten Juni. Da wurden Proben genommen und wieder mikroskopisch untersucht. Ich hab mir am Abend vorher ein Kreuz hinters Ohr tätowieren lassen, was natürlich für Unverständnis an allen Fronten gesorgt hat, denn ich hätte mir wieder eine Infektion holen können. Darüber hab ich ehrlicherweise im Morphium-Rausch nicht nachgedacht. Ich wollte einfach nur dieses Kreuz hinter meinem Ohr. Davor war ich beten und alle Leute haben für mich Kerzen angezündet. Dann, als die Biopsie da war, hat es bedeutet, dass es endlich vorbei ist.
Sie sind in den letzten drei Monaten viel gereist, wie man auf Instagram sieht.
Ich wollte mein Leben wiederhaben. In die Operation Nummer sechs am 3. Juli bin ich mit strahlendem, sonnigem Gemüt rein. Ich habe gesagt: So, jetzt krieg ich meine Knochen wieder, jetzt wird alles geil! Ich hatte ja kein Hüftgelenk mehr. Ich wusste: Wenn jetzt alles gut geht, ist das der erste Tag in meinem neuen Leben. Vorher wusste ich: Egal was ich tue, wie viel Superfood Smoothies ich trinke, egal wie oft ich meine Krücken ins Gym schleppe und versuche etwas Muskelarbeit zu machen, es kann nicht besser werden. Ich habe jetzt einen ganz schicken Implantat-Pass, mit dem reise ich durch die Welt. Das Implantat piepst jetzt immer beim Security Check, denn ich habe ein klassisches Hüftgelenk aus Titan und Keramik in mir plus Metallschrauben. Bis zum Sommer im nächsten Jahr kann ich all die Medikamente und Toxine loswerden, die sich in meinem Bindegewebe abgesetzt haben.
Sie haben Ihre Krankheit auf Instagram sehr öffentlich gemacht. War das für Sie ein Ventil, um damit fertig zu werden?
Als Instagram aufkam, war ich glücklich, dass ich alle meine Bilder endlich ordnen konnte, und dann hat sich alles so ergeben, was passiert ist. Meine Follower sind mir – das soll sich jetzt nicht böse anhören – gar nicht so wichtig. Es ist nett, wenn Leute meine Fotos schön finden, aber ich mach das nicht aus beruflichen Gründen.
Was nehmen Sie aus dieser Krankheit mit? Sie haben ein Jetset-Leben geführt – plötzlich haben Sie mit Krankheit und Tod zu tun.
Ich war schon davor ein sehr dankbarer, demütiger, lebensfroher Mensch, der sehr friedlich durchs Leben gegangen ist. Sehr natur- und sportgeil, möglichst viel Frieden, möglichst ohne Ärger und Stress. Und ich halte mich auch von Menschen fern, die mir auf den Sack gehen. Das war ich vorher alles schon. Ich war und bin ein Workaholic: extrem adrenalingepeitscht, extrem schnell, extrem wild. Das ist alles von heute auf morgen zum totalen Stillstand gekommen. Eine Sache habe ich sehr gut verstanden: Wie unglaublich schnell es vorbei sein kann und wie wenig ich auch davon mitgekriegt hätte, wenn es vorbei gewesen wäre. Wenn ich in der Klinik in den ersten zwei Wochen gestorben wäre, ich hätte es nicht mitgekriegt. Ich war so weggedonnert mit Morphium, ich lag in einer Parallelwelt und habe vor mich hingewimmert und gelallt. Es wäre spektakulär schnell vorbei gewesen: Gerade noch in L.A., gerade noch in Hollywood, gerade noch beim Schuhkauf am Rodeo Drive, gerade noch in Malibu, gerade noch im Nobu beim Essen: alles geil – zack, es ist vorbei. Das habe ich vorher auch schon gewusst – aber jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt. Bis dato war es ja in meinem Leben so: Die anderen hatten Unfälle, jemanden, der gestorben ist, Krebs, einen Autounfall, ein Aneurysma. Es waren immer die Dramen der anderen. Mein Vater hatte Krebs, aber er hat das Ruder herumgerissen – ihm geht es heute sehr gut, da sind wir sehr glücklich. Ich bin noch viel lebenshungriger. Aber ich weiß auch: Der Keim kann jederzeit zurückkommen, das haben mir die Ärzte ganz klar gesagt. Mir ist viel mehr bewusst, an welchem seidenen Faden das Leben hängt.
Sie haben eine erfolgreiche Agentur, Stilart, die auf Sie zugeschnitten ist. Haben Sie Kunden verloren?
Ja klar, ich habe Kunden verloren. Ich hatte seit Januar den Kunden geschrieben und kommuniziert, mein Kopf ist ja nicht kaputt, es ist mein Bein. Ich bin da. Die Firma läuft geil. Es lief auch ganz lange ganz toll, meine Mitarbeiter haben einen genialen Job gemacht. Trotzdem hat ein Kunde am 24. Dezember gekündigt, das fand ich ganz besonders charmant und feinfühlig. Dann gab’s im Februar/März noch eine große Geschichte mit einem anderen Kunden, der mich ganz unschön fallen ließ. Einige haben gedacht, ich packe es nicht mehr. Es gab Gerüchte – auch von meinen lieben Mitbewerbern, die sich immer schon an meine Kunden und Mitarbeiter rangemacht haben. Ihnen wurde gesagt, ein sicherer Arbeitsplatz ist bei mir ja nicht mehr der Fall. Das war sehr, sehr krass. Aber keiner meiner echt geilen, großen, fabelhaften, langjährigen, loyalen, echten, menschlich nahen Kunden sind weg, sie sind alle noch da.
War erhoffen Sie sich von der Zukunft?
Wenn der Keim nicht zurückkommt, und das Damokles-Schwert hängt über mir, bin ich der glücklichste und dankbarste Mensch der Welt. Die Menschen sollen mal aufhören, sich über jeden Scheiß aufzuregen und sollen mal dankbar sein für ein gesundes Leben, für genug Essen, für keinen Krieg, keine Naturkatastrophen. Sie sollen sich mal alle ganz gewaltig besinnen – vielleicht gerade jetzt vor Weihnachten –, was wichtig ist im Leben. Denn dieser ganze Materialismus, dieser ganze Scheiß ist alles egal. Glücklich sein, nett zu anderen Menschen zu sein, für sich selbst ein zufriedenes Leben führen: Das ist wichtiger als das dicke Auto oder die dicken Titten oder der Urlaub, mit dem man auf Instagram protzen kann.
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Sie sollen alle mal einen Gang runterschalten und diese Unzufriedenheit und Aggressivität im Alltag vergessen. Jener Arzt, der mir meine fast tödliche Spritze gegeben hat, hat daran gearbeitet, möglichst viele Porsches zu fahren. Die Ärzte, die ich im Klinikum rechts der Isar kennengelernt habe, wollen möglichst viele Menschenleben retten. Das ist der Unterschied.