Montenegro ist nicht unbedingt der erste Gedanke, der einem in den Sinn kommt, wenn man an Urlaub denkt. Zu wenig weiß man über die kleine Republik an der südöstlichen Adriaküste, die erst seit 2006 unabhängig ist und bis dahin zu Jugoslawien gehörte. Gerade mal 600.000 Einwohner hat der Kleinstaat, das Land ist dünn besiedelt und die Hochgebirge werden durch steile Canyons unterbrochen. Der Fluss Tara, der längste Montenegros, zieht von seinem Ursprung in fast 2.000 Metern Seehöhe im Žijevo-Gebirge fast 140 Kilometer durch das Land und mündet in eine spektakuläre Schlucht, die längste und tiefste Europas. Zahlreiche Wasserfälle überwindet die Tara, manche bis zu 60 Meter hoch, und wurde so zu einem beliebten Ziel für Rafting-Sportler aus ganz Europa. Es ist genau dieser Teil des Landes, den wir erkunden wollen.

Ethno Village. Das Grab Ethno Village and Camp im Durmitor National Park ist unser Ausgangspunkt. Ausgestattet mit kleinen Hütten, einem Campingplatz beim Fluss und umgeben von den Bergen wacht man inmitten der großteils unberührten Natur auf. Hier übernachtet man ab 20 Euro in gemütlichen Holzhütten, alles ist sehr einfach, aber ordentlich.

Das Outdoor-Restaurant befindet sich direkt am Wasser, man blickt auf den Fluss Tara, dessen Kraft und Stromschnellen einem Respekt einflößen. Breakfast, Lunch und Dinner gibt es immer gemeinsam für alle Gäste zu fixen Zeiten, man kommt so leicht ins Gespräch. Traditionelle montenegrinische Kost, große Portionen und inmitten zahlreicher Katzen findet man sich zusammen. Die Zeit vertreibt man sich mit gemeinsamem Uno-Spielen, man trinkt ein Bier am Lagerfeuer und lernt Menschen aus der ganzen Welt kennen. Die Mitarbeiter des Camps essen gemeinsam mit uns zu Abend und erzählen, wie das Leben am Tara River so ist. Es ist nicht einfach hier in der Wildnis. Alle leben vom Tourismus, und bleibt dieser wie zu Pandemie-Zeiten aus, so ist die Sorge groß.

Rafting am Tara River. Viele Reisende kommen nur für ein, zwei Tage vorbei zum Rafting am Fluss, wenige buchen längere Aufenthalte, um die unberührte Natur zu genießen. Andere bauen auf der Durchreise nur für eine Nacht ihr Zelt auf. Das Grab Ethno Village bietet für die Abenteuerlustigen eine ganze Reihe verschiedener Outdoor-Aktivitäten an. Wir sind hier, wie viele andere, zum Rafting.

Reißender Fluss. Ausgestattet mit Neopren-Anzug und dem Rafting-Boot werden mein Freund Vinzenz und ich gemeinsam mit dem Rest der Gruppe – Arbeitskollegen aus Niksic, die für ihr Teambuilding ein Wochenende im Camp verbracht haben – mit einem Land Rover flussaufwärts gebracht. Das Wasser an der Einstiegstelle ist kalt, es kommt aus 2.000 Meter Seehöhe, die Strömung ist stark. Mit unserem Guide springen wir ins Schlauchboot, zu neunt werfen wir uns in die reißende Tara. Das Wasser spritzt uns ins Gesicht, die Strömung nimmt zu, das Boot an Geschwindigkeit auch. Im Frühjahr ist das Gewässer deutlich wilder als zu jeder anderen Jahreszeit. Immer wieder bleiben wir stehen, rudern ans Ufer. Einmal zum Klippenspringen, das andere Mal für einen Wasserfall, unter den man sich stellen kann, oder eine kurze Schwimmpause. Es ist ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst.

Für Touristen, die lieber in den Bergen unterwegs sind, ist eine E-Bike-Tour ein absolutes Muss, um auf eigene Faust die Landschaft zu erkunden. Mit dem Fluss als Ausgangspunkt kommt man mit Hilfe des Elektromotors auch mit wenig Mühe auf die Spitze der Berge und freut sich über die idyllischen Höhenlandschaften. Mit einer App, die man sich vorher downgeloadet hat, wird einem eine Rundtour auf dem Plateau vorgeschlagen. Eine schöne Alternative, um auch alleine die Landschaften Montenegros zu entdecken.

Wir fahren mit dem Auto weiter in den Süden Montenegros. Hier befindet sich der Skadar-See, um den nördlich viele Weingüter angelegt sind. Wir kehren in die unscheinbare „Vinarija Jankovic“ ein, die wir durch Zufall entdeckt haben. Das Weingut, das sich seit über 100 Jahren in Familienbesitz befindet, wird von zwei Brüdern geführt, die den Wein selber ohne Maschinen machen.

Man sitzt auf einer idyllischen Terrasse mit Blick direkt auf die Weinreben und Obstbäume, das Tal vor sich. Während uns von einem der Brüder die verschiedenen Weine – man ist auf Chardonnay, Sauvignon Blanc und Merlot spezialisiert – serviert werden, wird von der Mutter in der Küche Essen zubereitet. Verschiedene Käse, Obst aus dem eigenen Garten, selbst gemachtes Brot. Man ist Gast und wird doch Teil der Familie. Man isst gemeinsam mit den Gastgebern und bekommt endlosen Nachschub an Speisen und Getränken. 15 Euro pro Person kostet der kulinarische Genuss samt Getränken. Ein schöner Abschluss einer außergewöhnlichen Reise.
Vinjarija Janković, Drusici bb, Rijeka Crnojevica 81253, Montenegro